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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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etwas gelernt.
    Als Erstes legte sich Cindy ins Gras vor dem Haus und genoss das Licht und die Wärme auf ihrer Haut. Sie wollte nicht ins Krankenhaus, deshalb rief Benno bei Sophie an und bat sie, zu John zu gehen, um sich dort um Cindy zu kümmern. Siggi sorgte dafür, dass sie sich etwas frisch machen konnte, bevor sie John gegenübertrat. John saß wohl immer noch in seinem Sessel, als Cindy klingelte. Siggi erzählte später, er hätte noch nie zwei Menschen gleichzeitig so herzlich weinen und lachen gesehen. Sophie war ebenso gerührt, sie umarmte Cindy inniglich. Sie untersuchte sie, stellte aber lediglich eine leichte Unterkühlung fest. Sie verabreichte ihr eine Vitaminspritze, packte sie mitten im Sommer mit einer Wärmflasche ins Bett – ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen – und verordnete ihr strikte Ruhe, dazu mindestens zwei Wochen Urlaub. John rückte seinen Lieblingssessel, der ihm in den letzten Tagen so gut gedient hatte, an Cindys Bett und wich zwei Tage nicht von ihrer Seite. Ich hätte dasselbe für Hanna getan.
    Siggi und seine Leute hatten den Funkkontakt zu Nicole verloren. Sie wussten, dass Jens sie nur in die Kanalisation geschleppt haben konnte, vermutlich war das Signal nicht stark genug. Oder Jens Gensing hatte den Sender entdeckt – er war ein schlauer Hund. Trotz intensiver Suche und Nutzung des gesamten Polizeiapparats inklusive SEK und Hundestaffel blieben Jens Gensing und die Polizistin Nicole verschwunden.

     
    Es war bereits 19 Uhr abends an diesem Samstag, als sich Göschke, Benno und Siggi in ihrer Einsatzzentrale im Polizeipräsidium zum Äußersten entschlossen: Hanna und mich zu wecken. Eine halbe Stunde später standen Benno, Siggi und der Psychologe vor meiner Wohnungstür. Da Hanna und ich so fest schliefen, dass wir die Klingel nicht hörten, versuchten sie es der Reihe nach bei meinen Nachbarn. Von unten nach oben. Frau Semarak öffnete. Siggi und Benno überredeten sie, ihnen meinen Wohnungsschlüssel zu geben. Dazu benötigten sie allerdings viel Geduld, Siggis Polizeiausweis und Bennos Autorität als Stadtrat. Hanna und ich schliefen noch fest, als Benno ins Schlafzimmer trat. Er versuchte uns zu wecken, was ihm aber nicht gelang. Dann hatte er die entscheidende Idee. Er schaltete meine Kaffeemaschine ein und bereitete mithilfe der Bedienungsanleitung einen recht passablen Espresso. Den trug er ins Schlafzimmer und hielt ihn mir direkt unter die Nase. Innerhalb von Sekunden schlug ich die Augen auf. Der Espresso rann stark und heiß meine Kehle hinab. Hanna schlief immer noch. Ich stand langsam auf und schob Benno ins Wohnzimmer. Es dauerte einige Minuten, bis ich die Situation erfasst hatte, so viele Leute in meiner Wohnung musste ich erst mal verdauen. Siggi schlug mir aufmunternd auf die Schulter, der Psychologe winkte mir freundlich zu. Selbst Frau Semarak war gekommen. Sie trug eine Flasche Rotkäppchen-Sekt unter dem Arm. Endlich bekam ich mein erstes Wort heraus: »Dusche!« Alle hielten das für eine gute Idee. Keiner hatte mir bisher gesagt, warum sie alle hier waren und im Moment interessierte es mich auch nicht. Erst einmal wach werden. Als ich unter dem wohltuenden Strahl der Dusche stand, kam Hanna ins Bad. Sie zog sich wie selbstverständlich aus und stieg zu mir in die Duschkabine. Das heiße Wasser tat gut und auch Hannas nackter Körper tat gut. Ich hatte Schwierigkeiten zu realisieren, dass dies alles ein Tag war. Ein und derselbe Tag, mit so viel Sonne und so viel Schatten.
    Gegen 20 Uhr saßen wir alle fünf in meinem Wohnzimmer, Siggi hatte ein paar belegte Brote gezaubert und zwei Flaschen kühles Bier besorgt. Der Psychologe hatte leise Musik eingeschaltet. Benno hatte Frau Semarak davon überzeugt, dass er sich um mich kümmern würde, er versicherte ihr sogar, später bei ihr zu klingeln, um von meinem Zustand zu berichten. Tatsächlich ging es mir inzwischen viel besser, und auch Hanna hatte sich erholt.
    »Cindy ist frei!«, verkündete Benno unvermittelt. Hanna und ich fielen uns wortlos in die Arme.
    »Es geht ihr gut, Sophie ist bei ihr«, ergänzte Benno. Ich war sehr erleichtert.
    »Und John?«, erkundigte sich Hanna.
    Benno berichtete kurz von dem Wiedersehen der beiden.
    »Das Diebesgut?«, fragte ich.
    »Haben wir ebenfalls«, antwortete Siggi, »nur der Sterbeschemel fehlt.«
    »Nur der Sterbeschemel?« Ich wusste nicht, was ich mit dieser Information anfangen sollte.
    »Und was ist mit Nicole?«,

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