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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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alle Hände voll zu tun – keine Zeit!«
    Er gab mir die Telefonnummer von Dorsts Büro und verabschiedete sich.
    Er schien ziemlich unter Druck zu stehen, denn sonst war er nicht so kurz angebunden. Ich rief Dorst an und ließ mir die Wegbeschreibung zu seinem Büro geben.
    Dann fiel mir Cindy wieder ein. Ich spulte das Band des Anrufbeantworters zurück und notierte mir ihre Telefonnummer. Sie war sofort am Apparat.
    »Hi, Hendrik, dass du anrufst ist schön. Es war sehr interessant mit dir an dem Montag.«
    Ihr Deutsch mit texanischer Sprachmelodie war umwerfend. Ich bedankte mich, und wir plauderten eine Weile, locker und nett – Small Talk eben. Dann lud sie mich zum Essen ein.
    »John, dieser Kerl, er kommt heute aus München zurück. Wie wäre es morgen Abend mit einer original amerikanischen Pizza bei uns zu Hause?«
    Ich stimmte zu.
    »Hast du denn eigentlich eine Freundin?«, fragte sie amerikanisch unverblümt.
    Ich stotterte etwas Unverständliches vor mich hin.
    »Gut, dann bring sie mal mit.«

     
    Kurz danach saß ich in meinen Volvo und fuhr Richtung Innenstadt. Ich passierte den Goetheplatz. Dann nahm ich die Carl-August-Allee in nördlicher Richtung. Links und rechts von mir lagen die bulligen Gebäude des ehemaligen Gauforums. Inzwischen beherbergten sie das Thüringer Landesverwaltungsamt und das Polizeipräsidium. Die Räume der Kripo lagen im nördlichen Teil des Gebäudekomplexes. Dorst hatte mir geraten, über den Rathenauplatz zu kommen und neben dem ›Neuen Museum‹ zu parken. Der Weg durch den alten Bunker war schwierig, verworren, über verschiedene Treppen und Zwischengeschosse.
    »Hallo, Herr Wilmut«, rief der Hauptkommissar freundlich, als ich sein Büro betrat.
    Ich sah mich um. Ein Optimist hätte die Einrichtung als zweckmäßig bezeichnet, ein Pessimist als spartanisch. In der Ecke lag ein Schäferhund auf einer alten Decke.
    »Hallo, Herr Dorst«, sagte ich, »hallo, Rex.«
    »Er heißt nicht Rex«, erwiderte der Hauptkommissar, »er gehört meiner kranken Tante und heißt Erich!«
    »Und mit Nachnamen sicher Honecker?«
    Dorst grinste. »Das ist gar nicht so weit hergeholt, meine Tante war ein großer Honecker-Fan.«
    »Ach, tatsächlich?«
    »Ja, aber heute prahlt sie nicht mehr damit.«
    Dorst bot mir einen Platz an und winkte fragend mit der Kaffeekanne. Ich nickte. Wir sahen uns an, neugierig, ein bisschen taktierend. Bei mir unvertrauten Personen achte ich sehr auf die Körpersprache. Seine Zeichen waren offen, unverkrampft.
    »Wie hat Sie’s denn hierher verschlagen«, erkundigte ich mich, »Sie kommen doch aus Hessen, oder?«
    Er lachte auf. »Ei, des stimmt, so’n hessischer Dialekt lässt sisch net so leischt verbersche!«
    Ich grinste.
    »Ich bin in Darmstadt geboren«, fuhr er fort, »später war ich lange Zeit beim BKA in Wiesbaden. 1988 ging meine Ehe in die Brüche und als man mir nach der Wende diese Stelle hier anbot, hielt mich nichts mehr in Hessen. Meine Mutter stammt hier aus der Nähe, und irgendwie hat’s mich hierhergezogen. Warum, kann ich auch nicht näher erklären.«
    »Und Sie fühlen sich wohl hier?«, fragte ich.
    »Ja, sehr sogar. Die Menschen sind direkter und ehrlicher. Und sie kommen sich näher, ich meine geistig und auch körperlich. Ein freundliches Schulterklopfen, ein verbindlicher Händedruck – unkomplizierter als im Westen.«
    »Aber nur, wenn man sich selbst zurücknimmt, sich nicht zu sehr in den Mittelpunkt stellt, sondern als Teil des Ganzen betrachtet.«
    Er sah mich überrascht an. »Ja, das stimmt, ganz genau. Woher … äh … kennen Sie das?«
    »Ich bin selbst in Weimar geboren und habe hier seit einigen Jahren eine Zweitwohnung.«
    »Aha!«
    Ich erzählte ein wenig aus meiner Lebensgeschichte. »Wie lange waren Sie beim BKA?«, fragte ich danach.
    »Knapp 14 Jahre.«
    »Das merkt man.«
    »Wieso?«
    »Nun, Sie machen den Eindruck, als verstünden Sie etwas von Ihrem Beruf!«
    Dorst lächelte. »Danke«, sagte er und strich sich über den kahlen Kopf, »dafür habe ich meine Haare verloren!«
    Ich unterbrach ihn nicht. Er wirkte sehr ernst, als er von sich aus weitererzählte.
    »Ob Sie’s glauben oder nicht, während meiner ersten Jahre beim BKA hatte ich noch leidlich viele Haare, einen Haarkranz, Sie verstehen …«
    Ich machte eine zustimmende Geste.
    »… dann zogen wir eine Kinderleiche aus dem Rhein – ein paar Tage später hatte ich kein einziges Haar mehr auf dem Kopf!«
    Nach einer kurzen Pause fuhr ich

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