Götterbund (German Edition)
mir aufgefallen wäre.“
„Du musst vorsichtiger sein“, predigte Shaquess ihr zum hundertsten Mal. „Oder du bittest Rajatshas einfach, dir den Kontakt zu deinen Freunden zu erlauben. Vielleicht würde er es verstehen.“
Yanna betrachtete den Taissin zweifelnd.
„Er scheint dir in letzter Zeit außergewöhnlich viele Wünsche zu erfüllen.“
„Er wird es niemals tolerieren, dass ich zu den Rebellen Kontakt habe. Schlimmer: Er wird eins und eins zusammenzählen und begreifen, dass ich auf deren Bitte hin in den Palast zurückgekehrt bin.“ Seufzend ließ sie den Kopf gegen Shaquess’ Brust sinken. Seltsam. Die Zeit, die sie hier im Palast mit Rajatshas verbrachte, war die schönste ihres Lebens. Und gleichzeitig die sorgenvollste.
Rajatshas machte sich Sorgen. Schon seit Tagen hatte er das Gefühl, dass Dashamien etwas beschäftigte. Und nun schien sie vergessen zu haben, dass in eben diesem Moment ein neuer Anwärter auf die Gardistenausbildung vorstellig werden sollte. Es war Brauch, dass ein jeder dieser Anwärter sich zu Anfang seiner Ausbildung der Königsfamilie präsentierte und der Junge war pünktlich gewesen. Nicht so Dashamien. Seit sie im Palast wohnte, hatte sie noch nie einen Termin versäumt, ganz egal, worum es sich gehandelt hatte. Ob sie eingeschlafen war? Sie hatte beim Frühstück erwähnt, dass es ihr nicht gut ging.
Er hob die Hand, um an Dashamiens Tür zu klopfen, als ihn plötzlich etwas innehalten ließ. Er hörte Stimmen. Und es war nicht die Stimme einer der Zofen, die sich mit Dashamiens abwechselte, sondern eine andere, ihm wohl bekannte.
Vorsichtig öffnete Rajatshas die Tür und schob sie geräuschlos einen Spalt auf.
„Wenn ich dich nicht hätte“, murmelte Dashamien gerade, den Kopf an Shaquess’ Schulter gelehnt.
„Daran möchte ich gar nicht denken“, sagte der Taissin und lachte leise.
Rajatshas’ Hand ballte sich zur Faust, während er beobachtete, wie Shaquess sich zu Dashamien hinunterbeugte und ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn drückte.
Rajatshas bebte vor Bestürzung. Es war nicht ungewöhnlich, dass sich Mitglieder der Königsfamilie Gardisten oder Taissins auswählten, um mit ihnen Nachkommen zu zeugen. Oder, wie im Falle seiner Großmutter Chandel, sogar ihr Leben mit ihnen zu verbringen. Und es hätte Rajatshas nicht gestört, wenn Dashamien sich einen der anderen Taissins ausgewählt hätte. Aber Shaquess! Er würde das nicht zulassen. Rajatshas hatte schon die flache Hand gegen die Tür gepresst, um diese ganz aufzustoßen, da zwang er sich, seinen Arm wieder sinken zu lassen. Er dachte an Dashamiens Bedrücktheit der letzten Tage. Konnte es sein, dass Shaquess der Grund dafür gewesen war? Hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie es ihm, Rajatshas, verheimlichte? Natürlich wusste Dashamien, dass er nicht gut auf den Taissin zu sprechen war.
Wenn sie dieses Geheimnis für sich behalten konnte, um das gute Verhältnis zwischen ihnen zu wahren, dann konnte er auch so tun, als hätte er die beiden nie zusammen gesehen.
„Bei den Göttern!“, rief Dashamien plötzlich. „Der neue Anwärter auf die Gardistenausbildung! Er wollte heute vorstellig werden. Rajatshas wartet sicher schon auf mich!“
Genauso lautlos, wie er die Tür geöffnet hatte, schloss er sie wieder. Dann beeilte er sich, in den Thronsaal zurückzukehren.
„Mein Name ist Georgas Navida. Es ist mir eine Ehre, Euch bald als Gardist dienen zu dürfen.“
Der junge Mann, der nicht älter als siebzehn Jahre sein konnte, verneigte sich tief.
Yannas Blick schweifte zu Rajatshas, der neben ihr stand. Doch der König musterte aufmerksam den neuen Gardisten. Sie konnte sich nicht helfen. Seit sie vor ein paar Minuten im Thornsaal eingetroffen war, kam ihr Rajatshas verändert vor. Er sah sie nicht an, warf ihr nicht einmal einen Blick zu.
„Wir begrüßen dich im Palast und hoffen, dass du deine Gardistenausbildung erfolgreich absolvieren wirst.“ Der König nickte dem Jungen zu.
Dieser erhob sich, strich sich lächelnd das lockige, braune Haar aus der Stirn und richtete die graugrünen Augen auf Yanna.
Diese sah abermals verwirrt zu Rajatshas. Sollte sie auch etwas sagen? Sie versuchte, sich daran zu erinnern, was Rajatshas ihr an diesem Morgen über die Zeremonie erzählt hatte. Nein, dass auch sie etwas sagen musste, hatte er nicht erwähnt. Da der Junge seinen Blick jedoch immer noch erwartungsvoll auf sie gerichtet hielt, lächelte Yanna. „Willkommen
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