Götterbund (German Edition)
ihr drängte darauf, ja, konnte es kaum noch abwarten. Und dabei ging es nicht um die Zeremonie, sondern um Rajatshas. Sie wollte den König sehen.
Malyn starrte sie wortlos an. Sein Blick ließ keinen Spielraum für Interpretationen: Er wollte nicht, dass sie ging.
Doch was der Ratsvorsitzende wollte oder nicht, und was überhaupt in ihn gefahren war, interessierte Yanna nicht mehr.
„Warum willst du nicht, dass sie zur Trauerfeier geht?“, wollte Ehliyan von Malyn wissen. Auch er hatte das Schweigen des Ratsvorsitzenden richtig gedeutet. Dann schweifte sein irritierter Blick zu Yanna. „Und warum willst du unbedingt hingehen?“
„Ja. Warum willst du unbedingt dorthin?“, wiederholte Malyn.
Thoran griff nach dem Arm des Ratsvorsitzenden und flüsterte ihm etwas zu. Malyn schüttelte heftig den Kopf und riss sich los.
Yanna verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich muss mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich mir eine offizielle Zeremonie ansehen will.“ Fest sah sie Malyn in die dunklen Augen.
Der Ratsvorsitzende öffnete den Mund und schien etwas erwidern zu wollen. Da zog Thoran ihn plötzlich von seinem Stuhl hoch und in Richtung Treppe. Leise auf ihn einredend schob er ihn die Stufen hinauf, bis die beiden Männer aus Yannas Blickfeld verschwunden waren.
„Unfassbar“, Ehliyan schüttelte den Kopf. „Was ist in euch beide gefahren?“
Yanna schnaubte. „Malyn benimmt sich schon seit gestern so seltsam.“
„Seit der Ratsversammlung“, stimmte Ehliyan zu. „Aber du stehst ihm wirklich in nichts mehr nach. Woher weißt du, dass Schelash tot ist?“
„Glaubst du mir etwa auf einmal?“
Ehliyan zuckte mit den Achseln.
Yanna seufzte. „Ich weiß überhaupt nicht, dass Schelash tot ist“, berichtigte sie. „Aber ich bin mir sicher, dass Rajatshas noch lebt.“
„Das ist… verrückt.“
„Denkst du, das weiß ich nicht?“
„Und warum willst du unbedingt zu der Trauerfeier? Um dorthin zu gehen musst du lange vor Sonnenaufgang aufstehen. Das sieht dir nicht ähnlich.“
„Da ist etwas in mir… “ Sie stockte und überlegte, wie sie es am Besten beschreiben sollte. „Etwas, das vorher nicht da war. Eben, nach den Glockenschlägen, habe ich es deutlich gespürt. Es hat mir gesagt, dass Rajatshas noch lebt.“ Verzweifelt fuhr Yanna sich durch die Haare. „Das hört sich an wie das Gerede einer Verrückten!“
„Ja“, sagte Ehliyan ungerührt. „Und weiter?“
„Ich möchte morgen zu der Trauerfeier, um Rajatshas zu sehen.“
„Wieso?“
„Nur so ein Gefühl.“
„Und du denkst, es ist klug, diesem Gefühl nachzugeben?“
„Ich muss. Vielleicht kann ich so herausfinden, was mit mir passiert.“
Malyn ließ sich von Thoran die Treppe hinaufziehen. Oben angekommen, riss er sich von dem alten Mann los.
„Was soll das, Malyn?“, zischte Thoran mit gedämpfter Stimme.
„Was meinst du?“
Thoran schüttelte den Kopf und zog den Jüngeren in den Raum hinein, in dem die Ratsversammlungen abgehalten wurden.
„Wieso bist du dagegen, dass Yanna zu der Trauerfeier geht?“
Malyn glaubte, sich verhört zu haben. „Verstehst du denn nicht, was gerade passiert? Das Band ist erwacht! Nur deshalb wusste Yanna, dass Rajatshas noch lebt.“
Thoran nickte bedächtig. „Aber wir wussten, dass das passieren könnte. Es zeigt, dass Niquos’ Plan Erfolg hatte.“ Er sah zu Boden. „Schelash ist tot. Das ist mehr, als alle zu hoffen gewagt hätten.“
Malyn spürte den Schmerz seines Freundes, doch wusste, dass er nichts tun konnte, um diesen zu lindern. Stattdessen mussten sie sich beide darauf konzentrieren, die aufziehende Katastrophe zu verhindern. „ Siehst du nicht, was hier vorgeht? Yanna will zu der Trauerfeier gehen, um Rajatshas zu sehen!“
Thoran blickte auf. „Das ist wahrscheinlich, ja.“ Er legte dem Jüngeren eine Hand auf die Schulter. „Du kannst nicht verhindern, dass sie irgendwann die Wahrheit erfährt“, wiederholte er, was er Malyn bereits hundertmal gesagt hatte.
„Aber ich kann es versuchen.“
„Sei nicht so stur, Malyn. Ich weiß, du meinst es nur gut. Aber Yanna hat ein Recht auf die Wahrheit. Dessen waren wir uns von Anfang an einig.“
Malyn schwieg.
Der alte Mann warf dem Ratsvorsitzenden ein aufmunterndes Lächeln zu. „Habe ein wenig Vertrauen in Yanna. Sie wird mit der Wahrheit umgehen können.“
Einmal mehr eine ungeplante Ratssitzung, und einmal mehr hatte Malyn ein schlechtes Gefühl dabei. Yanna und Ehliyan
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