Götterbund (German Edition)
noch zum Besseren ändern?“
„Woher soll ich das wissen?“, fauchte Ehliyan. „Ich habe mich geirrt, wie du so treffend festgestellt hast. Anscheinend kann ich ihn nicht so gut einschätzen, wie ich dachte.“
„Mir war ohnehin nicht klar, wie du zu so einer optimistischen Beurteilung kamst. Rajatshas hatte sein ganzes Leben lang nur seine Mutter um sich.“
„Ja, dafür hat Schelash gesorgt“, sagte Ehliyan bitter. „Wenn ich nur daran denke, dass sie ihren Bruder, ihre Nichte und die Mutter ihrer Nichte hat hinrichten lassen. Spätestens damals hätte sie irgendjemand aufhalten müssen!“
„Das hat ihr Bruder ja versucht und dafür mit seinem Leben und dem seiner Familie bezahlt. Die arme kleine Dashamien.“ Yanna seufzte. „Ich habe nie verstanden, warum Schelash das Kind erst verschont und im Palast aufgezogen hat, nur um es fünf Jahre später doch hinrichten zu lassen. Weißt du mehr darüber?“ Als Sohn eines hochrangigen Gardisten war Ehliyan in seiner Kindheit über das, was im Palast passierte, stets gut informiert gewesen. Ganz im Gegensatz zu Yanna, die ihr Leben lang in Thorans altem Haus gewohnt und die Hauptstadt nur hin und wieder besucht hatte.
Ehliyan schnaubte. „Wahrscheinlich hat Dashamien nicht so gut gespurt wie Rajatshas und wurde Schelash zu anstrengend.“
„Wirklich? Das war der Grund?“
„Es ist nur eine Vermutung. Selbst mein Vater wusste nicht, was der Grund für Schelashs plötzliche Meinungsänderung war.“
Yanna schüttelte den Kopf und kam zum eigentlichen Thema der Diskussion zurück: „Du denkst also, dass die Fanatiker für Schelashs Tod verantwortlich sind? Glaubst du, sie hatten einen Spion in der Garde?“
„Wohl kaum.“
„Wie sollen sie dann an Schelash herangekommen sein?“
„Vielleicht waren es am Ende doch nicht die Fanatiker.“
„Und wer hat dann deiner qualifizierten Meinung nach die Königin ermordet?“, fragte Yanna mit erhobenen Augenbrauen.
„Rajatshas.“
„Was? Wieso sollte er?“
„Vielleicht wurde ihm die Unterdrückung durch seine Mutter zu viel. Vielleicht war er es leid, keine eigene Meinung haben zu dürfen. Vielleicht hat sie es letztendlich geschafft, etwas zu tun, das sogar ihren eigenen Sohn gegen sich aufbrachte. Ich weiß es nicht, Yanna. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass einem Fanatiker gelungen sein soll, was Malyn in zwanzig Jahren nicht geschafft hat.“
„Und ich kann mir nicht vorstellen, dass gerade Rajatshas, der nach dem Tod seiner Mutter nicht einmal die Regierungsweise ändern will, sie getötet haben soll.“
Ehliyan zuckte mit den Achseln. „Vermutlich werden wir es nie erfahren.“
„Vermutlich“, stimmte Yanna zu.
Sie überquerten die einzige Brücke, die über den Kanal führte, der den Palast vom Weißem Viertel abgrenzte.
„Wir sollten uns beeilen“, riet Ehliyan. „Es wird schon langsam hell. Die Zeremonie kann jeden Moment beginnen.“
Auf der anderen Seite des Kanals führte eine breite Treppe hinauf zum Palast. Auf ihrem Weg nach oben sahen die beiden nur wenig andere Menschen. „Wahrscheinlich sind wir die letzten“, keuchte Yanna, als sie die Stufen endlich hinter sich gebracht hatte. Zusammen mit Ehliyan eilte sie um die hohen, blutroten Mauern des Palastes herum. Noch bevor sie die letzte Ecke umrundet hatte, schlug ihr das Summen tausender menschlicher Stimmen entgegen. Im nächsten Moment sah sie das übliche Bild, das sich bei jeder öffentlichen Bekanntmachung bot: Eine unüberschaubare Menschenmenge, die den großen Platz zwischen Palast und Tempel ausfüllte.
Yanna und Ehliyan blieben stehen, um sich einen Überblick zu verschaffen.
„Dort wird sie verbrannt“, erklärte der junge Mann und zeigte auf einen Punkt in der Nähe des Tempels. Yanna stellte sich auf die Zehenspitzen und konnte eine Art Scheiterhaufen ausmachen.
„Die Trauerprozession beginnt am Palasteingang und schreitet durch die Menschenmenge hindurch in Richtung Tempel.“
Yanna konnte nur vermuten, dass die Schaulustigen in ihrer Mitte tatsächlich einen Weg frei gelassen hatten. Normalerweise traten die Regenten von Fativa bei öffentlichen Zeremonien lediglich aus dem Palast heraus und sprachen zu dem Volk. Nie stiegen sie die Stufen herab und betraten den Platz. Geschweige denn, dass sie sich durch das Volk hindurch bewegten.
Plötzlich erklang Musik. Ein feines Harfenspiel, welches den Sonnenaufgang untermalte.
„Ich versuche, mich vorzudrängeln“, ließ Yanna Ehliyan
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