Götterbund (German Edition)
hatten sich nach den Glockenschlägen auf den Markt begeben. Nach ihrer Wiederkehr hatten sie berichtet, dass sogar die Armen bereits über Schelashs Tod redeten. Ein Bediensteter musste es von seinen adeligen Arbeitgebern aufgeschnappt und weitererzählt haben.
Yanna und Ehliyan hatten noch etwas berichtet. Etwas, das für Malyn keine große Überraschung gewesen war. Doch er wusste, dass es eine für Niquos, Amjen und Lahlia gewesen war. Selbst für Thoran.
Obwohl bereits alle fünf Ratsmitglieder ihre Plätze eingenommen hatten, herrschte Schweigen im Raum. Malyn musterte Amjen und Lahlia. Der etwa vierzigjährige blonde Mann wirkte niedergeschlagen. Die alte Frau, die neben ihm saß, konnte ihre Gemütsverfassung besser verberge. Doch auch sie sah nicht gerade glücklich aus.
„Es ist misslungen“, knurrte Niquos schließlich. „Wir haben uns verschätzt. Rajatshas zeigt keine Anstalten, die Regierungsweise zu ändern. Für die vielen Armen von Fativa ist keine Linderung eingetreten. Noch immer werden fast die gesamten Steuereinnahmen für die Gehälter und Behausungen der Gardisten aus dem Fenster geworfen. Die Steuern wurden nicht gesenkt. Kein einziger Gardist ist entlassen worden.“
Malyn verschränkte die Arme vor der Brust. „Er hat achtundzwanzig Jahre lang mit Schelash als einzige Bezugsperson gelebt. Was hast du erwartet, Niquos?“
Die dunklen Augen weiteten sich überrascht. „Du hast es gewusst?“, hauchte er. „Du wusstest, dass Rajatshas selbst ohne Schelashs Einfluss nichts an seinem Regime ändern würde?“
Malyn begegnete den teils erstaunten, teils anklagenden Blicken der anderen Ratsmitglieder mit einem Achselzucken. Er sah zu Thoran, der neben ihm saß und ihn ebenfalls fragend ansah. „Natürlich habe ich es nicht gewusst. Aber ich habe es geahnt. Ich habe nichts gesagt, weil ich hoffte, dass ich mich irrte.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass du Rajatshas so gut kennst, Malyn“, sagte Niquos mit leiser Stimme. „Schließlich hast du ihn seit sieben Jahren nicht mehr gesehen. Und obwohl du damals der oberste Taissin warst, standest du Schelash und Rajatshas meines Wissens nach nie außergewöhnlich nahe.“
Malyn entging die unausgesprochene Frage in Niquos’ Worten nicht. „Bereits vor sieben Jahren hatte Rajatshas gewisse Züge seiner Mutter übernommen. Ich hatte keinen Anlass zu glauben, dass sich das mittlerweile geändert hat. Ich diente über zwanzig Jahre erst als Gardist und schließlich als Taissin im Palast. Allein durch Beobachtungen habe ich viel über Rajatshas und Schelash lernen können.“ Malyn spürte Thorans bohrenden Blick auf sich und wandte sich dem alten Mann zu. Doch als er fragend die Augenbrauen hob, wandte sich Thoran plötzlich ab und sagte laut: „So enttäuschend die Situation ist: Uns gegenseitig Vorwürfe zu machen wird uns nicht weiterbringen.“ Er fixierte Niquos. „Wir sollten die gegebene Situation nicht überbewerten. Schelash ist seit kaum einem Tag tot. Nur weil Rajatshas heute nichts verändert hat, bedeutet das nicht, dass er es nie tun wird. Lasst uns nicht vorschnell über unseren neuen König urteilen. Geben wir ihm ein wenig Zeit, sich mit der neuen Situation auseinander zu setzen.“ Er erhob sich. „Ich schlage vor, dass wir uns in einer Woche wieder treffen und sehen, was sich dann getan hat.“ Fragend blickte er in die Runde. Als alle außer Niquos zustimmend nickten, wandte er sich zur Tür. Kurz bevor er den Raum verließ, warf er Malyn noch einen auffordernden Blick zu.
Dieser seufzte und folgte Thoran. Auf dem Flur wurde er bereits von dem alten Mann erwartet.
„Wieso hast du nichts gesagt?“, flüsterte Thoran sogleich. „Wenigstens mir? Ich ging davon aus, dass du Rajatshas ebenso einschätzt, wie wir anderen. Hättest du uns das vorher gesagt, wäre es vielleicht gar nicht zur Ausführung dieses am Ende sinnlosen Plans gekommen.“
„Das glaubst du tatsächlich?“, raunte Malyn zurück. „Du denkst, sie hätten von dem Plan abgelassen? Nur weil ich vermutete, dass Rajatshas seiner Mutter inzwischen zu ähnlich ist, als dass er seine Regierungsweise ändern könnte? Wieso hätten sie das tun sollen?“
„Warum hast du mir nichts gesagt?“, beharrte Thoran. „Warum hast du mich in dem Glauben gelassen, dass dieser Plan etwas bewirken könnte?“
„Weil ich mir nicht sicher war. Wie Niquos bereits sagte: Ich habe Rajatshas seit sieben Jahren nicht gesehen. Er hätte sich verändert haben können,
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