Götterbund (German Edition)
ganz und gar nichts Mütterliches an sich hatte? Die das Wohl ihres Sohnes nicht interessierte, sondern nur, dass er ihre Werte übernahm und eines Tages in ihre Fußstapfen trat. Wie kalt und einsam Rajatshas’ Kindheit und Jugend gewesen sein mussten. Einmal mehr nagten Zweifel an Yanna, ob ihre Entscheidung, den Palast zu verlassen, richtig gewesen war. Hätte sie es nicht wenigstens versuchen sollen? Vielleicht wäre es ihr doch möglich gewesen, guten Einfluss auf Rajatshas auszuüben. Auf jeden Fall hätte sie sein Leiden lindern können. Und ihr eigenes.
Sie schluckte schwer und bemerkte plötzlich, dass ihre Augen feucht waren. So unauffällig wie möglich wischte sie die Tränen fort.
„Hast du Malyns Geheimnis mittlerweile ergründen können?“
Yanna blickte auf und brauchte einen Moment, bis sie dem Themenwechsel gefolgt war. „Nein“, sagte sie langsam. „Ich habe Malyn gefragt und er sagte, er würde es mir irgendwann erklären.“ Ihr Blick schweifte abermals zum Fenster. Was Rajatshas wohl gerade tat? Ob er an sie dachte oder vielleicht den Mord an seiner Mutter im Geiste noch einmal durchlebte?
„Wenn das so ist, kann es ja nicht schaden, wenn ich die ganze Sache ein wenig beschleunige.“
Yanna blinzelte. Sie richtete den Blick zurück auf den Taissin. „Heißt das, du willst mir Malyns Geheimnis verraten?“
Die grünen Augen blitzten. „Genau das will ich.“
Damit gewann er ihre gesamte Aufmerksamkeit. „Du willst dein Druckmittel aufgeben? Wieso?“
„Ich habe meine Meinung geändert. Und wenn Malyn es dir irgendwann ohnehin erzählen will, würde ich mein Druckmittel so oder so verlieren, bevor ich es einsetzen könnte. Willst du es nun wissen oder nicht?“
Yanna setzte sich kerzengerade hin. „Ja, das will ich.“ Sie wappnete sich innerlich, obwohl sie wusste, dass die kommende Offenbahrung es nicht mit dem aufnehmen konnte, was sie bereits vor einigen Tagen über sich selbst erfahren hatte.
„Malyn ist der Sohn eines Gottes.“
Kapitel 8
„Sohn eines Gottes?“ Yanna begann zu lachen, weil sie glaubte, dass Shaquess das von ihr erwartete. In Wahrheit war ihr nicht einmal zum Lächeln zumute. War dem Taissin eigentlich klar, dass sie diesen Wahnwitz für einen Moment geglaubt hatte?
„Ich meine es ernst, Yanna.“
Ihr Lachen erstarb augenblicklich. Sie starrte in Shaquess’ aufrichtige Miene.
„Malyns Vater ist der Gott Elrioh. Er war der Schutzgott von Chandel, deiner Großmutter.“
Yanna ließ die Luft, die sie angehalten hatte, entweichen. „Shaquess“, begann sie mit gezwungen ruhiger Stimme. „Wer auch immer dir das erzählt hat, wollte dich zum Narren halten.“
„Niemand hat es mir erzählt, ich habe es selbst herausgefunden. Seit meinem ersten Tag in der Garde fiel mir auf, wie bevorzugt Malyn behandelt wurde. Er beherrschte die Kampfkünste zwar gut, doch er war nicht der Beste. Trotzdem hatte er die Position des obersten Taissins inne. Schon damals gab es Hinweise darauf, dass Malyn der Königsfamilie nicht so treu ergeben war, wie er tat, doch diese wurden ignoriert. Ich hielt meine Ohren offen und eines Tages belauschte ich eine Unterhaltung zwischen Schelash und Rajatshas. Sie hielt ihm gerade einen Vortrag darüber, wie wichtig es sei, Malyn auf ihrer Seite zu behalten. Schließlich sei er der Sohn eines Gottes und niemand wisse, was das genau bedeute. Der Rest war nicht schwer in Erfahrung zu bringen. Ich drohte Malyn, seine Abstammung öffentlich zu machen, wenn er mir nicht die ganze Geschichte erzählte. Wobei diese noch nicht einmal besonders interessant ist. Elrioh, der als Chandels Schutzgott während deren Regierungszeit oft in seiner menschlichen Form im Palast anwesend war, entflammte für eine Gardistin. Sie verbrachten einige Nächte miteinander, bevor die anderen Götter von diesem Frevel erfuhren. Malyn war das Ergebnis einer jener Nächte. Elrioh kam diese kurze Liebschaft übrigens teuer zu stehen. Die Götter entschieden, dass es ihm für die nächsten fünfhundert Jahre nicht gestattet sei, menschliche Gestalt anzunehmen. Geschweige denn, Schutzgott eines königlichen Kindes zu werden. Ich wette, er ist nicht besonders gut auf Malyn zu sprechen.“
„Das ist unglaublich!“, brach es aus Yanna heraus. „Malyn ist ein Halbgott!“
„Nun übertreib nicht gleich“, sagte Shaquess trocken. „Malyn ist absolut menschlich. Jedoch gibt es Berichte von seltsamen… Dingen, die er getan haben soll. Wie diese
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