Götterbund (German Edition)
krampfte sich vor Mitleid zusammen und für einen Moment konnte sie nicht atmen. Sie griff sich an die Brust, doch dann ging es plötzlich wieder. Keuchend schloss sie die Augen. Da spürte sie auf einmal eine Berührung an ihrer Wange. Sie schlug die Augen auf.
Shaquess hatte die Hand nach ihrem Gesicht ausgestreckt. Lächelnd zog er sie wieder zurück. „Es ist nicht deine Schuld, dass er niemanden hat. Dafür ist er ganz allein verantwortlich.“
Yanna war, als wäre in dieser Aussage mehr versteckt, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Sie starrte in Shaquess’ Augen und suchte nach der verborgenen Bedeutung. Dann traf sie die Erkenntnis. „Du glaubst, er hat Schelash umgebracht“, flüsterte sie. „Wie kommst du darauf?“
„Als ich nach unserem ersten Treffen in den Palast zurückkehrte, erzählte ich Rajatshas und Schelash von dir. Ich berichtete von deinen Augen, die denen von Rajatshas so ähnlich sind. Anfangs glaubten sie mir nicht, doch schließlich gelang es mir, Rajatshas davon zu überzeugen, dass du ein Mitglied der Königsfamilie sein musst. Er stellte seiner Mutter Fragen, auf die er jedoch keine Antwort bekam. Er wollte wissen, was damals geschehen war, ob es sich bei diesem Mädchen – dir – möglicherweise um Dashamien handeln könnte. Doch Schelash schwieg beharrlich. Im Nachhinein ist mir auch klar, wieso: Sie hat nie die Notwendigkeit gesehen, ihrem Sohn von der Sache mit den Zwillingsseelen zu erzählen. Schließlich glaubte sie selbst auch, dass Rajatshas dich bei der Flucht aus Versehen mit seiner Feuergabe getötet hatte. Er hat es ihr damals so berichtet und Malyn stützte die Erzählung natürlich. Daher muss mein Bericht sie völlig aus der Bahn geworfen haben. Rajatshas stürmte daraufhin aus dem Saal, drohte dabei seiner Mutter, dass er auch ohne ihre Hilfe die Wahrheit herausfinden würde. Und das tat er. Er fragte den einzigen, der ihm Antworten liefern konnte: Casaquann. Danach sah ich Rajatshas, wie er die Gemächer seiner Mutter betrat. Kurz darauf war sie tot.“
„Du glaubst, dass Casaquann Rajatshas die Wahrheit gesagt hat?“ Doch etwas an Shaquess’ Erzählung kam ihr seltsam vor. Misstrauisch starrte sie den Taissin an. „Wie kommst du eigentlich darauf, dass Rajatshas mit Casaquann geredet hat?“
„Weil ich gelauscht habe“, gab der Taissin trocken zurück. „Rajatshas hat Casaquann gerufen und verlangt zu erfahren, was damals geschehen ist. Casaquann hat Rajatshas daraufhin alles erzählt: Dass Casaquann nicht nur seiner, sondern auch dein Schutzgott ist und dass dir damals die Flucht gelang. Dass du noch lebst. Und dass Rajatshas’ Gefühl der Leere höchstwahrscheinlich von der Trennung von dir, seiner Zwillingsseele, herrührt. Ich vermute, dass er daraufhin seine Mutter mit diesem Wissen konfrontierte, ihm ihre Reaktion jedoch nicht gefiel.“
„Rajatshas musste erkennen, dass seine Mutter ihn nicht nur sein ganzes Leben lang belogen hat, sondern mich sogar töten wollte. Und das, obwohl sie wusste, dass wir Zwillingsseelen sind. Obwohl sie ahnen musste, was es für Rajatshas bedeutet hätte.“ Yanna schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hätte sie auch umgebracht.“ Sie erschrak über ihre eigenen Worte, doch musste sich eingestehen, dass sie wahr waren.
Shaquess betrachtete sie neugierig, dann schüttelte er den Kopf. „Das ist wohl eine Sache zwischen dir und Rajatshas, die ein normaler Mensch nicht nachvollziehen kann, oder?“
„Vielleicht. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es für mich wäre, wenn Rajatshas auf einmal sterben würde.“ Allein der Gedanke daran jagte ihr einen unangenehmen Schauer den Rücken hinunter. „Aber damals waren wir uns noch viel näher als jetzt. Auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, weiß ich, dass es so gewesen sein muss. Schelash nahm in Kauf, dass Rajatshas nach meinem Tod unvorstellbar leiden würde.“
„Und genau das wird auch Rajatshas klar geworden sein.“
„Ob er sich das selbst jemals verzeihen kann? Dass er seine eigene Mutter, seine einzige Bezugsperson getötet hat?“
Shaquess zuckte mit den Achseln. „Wie heißt es so schön? Wer Wind säht wird Sturm ernten. Schelash war selbst schuld, dass es so gekommen ist. Wenn dein König klug ist, sieht er das genauso.“
Nachdenklich blickte Yanna zum Fenster. Sie konnte Rajatshas immer besser verstehen. Was musste er für ein Leben geführt haben? Unter dem ständigen Einfluss einer Mutter, die
Weitere Kostenlose Bücher