Götterbund (German Edition)
würde.
„Yanna.“
Die sanfte Stimme ihres Großvaters ließ sie den Kopf drehen.
„Nimm dir ein paar Tage Zeit, um darüber nachzudenken.“
„Während sie darüber nachdenkt, ob es richtig ist, einen skrupellosen Herrscher zu töten, könnten weitere Menschen sterben“, bemerkte Niquos.
„Er hat Recht“, presste Yanna hervor. Nicht einmal Casaquann wusste, wie die Sache mit den Zwillingsseelen genau funktionierte. Wer sagte Yanna, dass der Teil in ihr, der mit Rajatshas verbunden war, nicht endlich zur Ruhe kommen würde, wenn sein Pendant nicht mehr existierte? Eine Hoffnung keimte in Yanna auf, die die Trostlosigkeit und Befürchtungen der letzten Tage wegschwemmte. Was, wenn dies die Lösung war? Was, wenn sie durch Rajatshas’ Tod endlich frei sein würde?
„Ich muss es versuchen“, sagte sie mehr zu sich selbst.
„Bist du dir sicher?“
Es war abermals die Stimme ihres Großvaters, die sie in die Realität zurückholte.
„Ich werde es tun“, sagte sie fest. „Das bin ich Xano und Emyla schuldig.“ Und mir selbst.
„Du musst es nicht selbst tun“, wandte Amjen ein. „Wir brauchen dich lediglich, damit du Rajatshas aus dem Palast lockst. Danach kannst du dich zurückziehen. Du musst nicht einmal dabei sein.“
Yanna schüttelte den Kopf. „Ich möchte, dass er weiß, wieso.“
„Yanna… “, begann Thoran, der um einiges blasser wirkte als sonst.
Yannas Entschluss geriet ins Wanken, als sie die Sorge in den Augen ihres Großvaters sah. Sie wollte nicht diejenige sein, die Rajatshas das Leben nahm. Aber egal, was er ihr angetan hatte - zumindest so viel war sie ihm schuldig. „Ich werde ihn selbst töten.“
Den Dolch sicher unter ihrem Umhang verborgen, schritt Yanna durch die Straßen der Hauptstadt. Je näher sie dem Palast kam, desto unwohler fühlte sie sich. Bald ist es vorbei , redete sie sich ein. Sie zwang sich, daran zu denken, wie das Leben ohne Rajatshas weiter gehen würde. Der Rat hatte ihr erklärt, dass sie einen Staatsstreich planten. Da Dashamien offiziell tot war, würde niemand verlangen, dass Yanna den Thron bestieg. Stattdessen wollten sie versuchen, den Moment der kollektiven Verwirrung zu nutzen um eine neue, vom Volk gewählte Regierung einzuführen. Yanna gefiel die Idee. Nicht nur weil sie nicht die geringste Lust hatte, Königin zu werden. Ein Gremium aus vom Volk gewählten Personen als Herrscher war die perfekte Idee. Die Gardisten würden entlassen und die Steuereinnahmen so auf ein Minimum reduziert werden. Eine völlig neue Ära würde anbrechen. Eine wohlhabende Ära, in dem es jedem einzelnen Menschen an nichts fehlen müsste.
Und vielleicht würde auch für Yanna persönlich eine ganz neue Zeit beginnen. Ohne Einsamkeit, ohne Traurigkeit und ohne die Nähe zu einem Menschen, dem sie nicht nah sein wollte.
Sie würde sich diese Möglichkeit, endlich wieder ein eigenes, unabhängiges Leben zu führen, unter keinen Umständen nehmen lassen.
Die großen, sauberen Häuser des Weißen Viertels bäumten sich rechts und links von Yanna auf. Es war Zeit zu handeln. Während sie schnurstracks auf die Treppe zum Palast zuging, konzentrierte sie sich. Noch nie hatte sie geistig zu Rajatshas Kontakt aufgenommen, war noch nie absichtlich in seinen Geist eingedrungen. Doch sie wusste, dass es möglich war. Er hatte es schließlich schon mehrere Male bei ihr getan. Yanna fühlte in sich hinein, suchte nach dem Teil, der mit Rajatshas verbunden war. Sie musste tief graben. Er war verschüttet unter all dem Schmerz und dem Hass, der sich die letzten Tage angesammelt hatte. Sie brachte ihn wieder zum Vorschein. Und hangelte sie sich an dem Band entlang, welches davon ausging. Weiter und weiter, bis sie ihren eigenen Geist verlassen hatte. Dann spürte sie ihn. Sie fühlte Rajatshas’ Anwesenheit ganz deutlich, konnte ihn beinahe vor sich sehen. Er wusste noch nicht, dass sie da war. Sie musste sich irgendwie bemerkbar machen.
Ich will dich sehen , sprach sie ihn in ihren Gedanken an. Jetzt sofort. Wir haben etwas zu besprechen.
Sie spürte, wie Rajatshas im Geiste zusammen zuckte. Im nächsten Moment hörte sie sein arrogantes Lachen. „Worüber würdest du gerne sprechen, Dashamien? Darüber, dass ich deine Freunde durch das Feuer getötet habe?“
Yanna zwang sich, den Zorn, der wieder in ihr aufflammte, aus ihren Gedanken zu verbannen. Wenn er ihre Emotionen spürte, könnte er misstrauisch werden. Nein. Über uns.
Sie fühlte, wie ihr ernster
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