Götterbund (German Edition)
ihre Stimme zitterte. Während sie sprach, schob sie unauffällig die rechte Hand unter ihren Umhang und umschloss damit den Griff des Dolches.
„Rede“, forderte Rajatshas sie auf. Sein Blick war kalt und hart, doch auch ein wenig erwartungsvoll.
Yanna trat noch einen Schritt vor. Sie stand Rajatshas nun so nah, dass sie mühelos mit dem Dolch zustechen konnte. Ihre Finger krampften sich so fest um die Waffe, dass es wehtat.
„Ich warte!“
Mit einem Schrei zog Yanna den Dolch unter dem Umhang hervor. Dabei starrte sie in Rajatshas’ Augen, die kühl zurückblickten.
Ihre Hand, die die Waffe hielt, zitterte. Und plötzlich wusste sie, was sie vorher nicht hatten sehen können: Rajatshas’ Tod würde sie nicht frei machen. Im Gegenteil. Ein Teil von ihr würde mit ihm sterben.
Am ganzen Körper zitternd ließ Yanna den Dolch sinken.
„Was tust du da?“, fragte Rajatshas scharf.
Der Dolch entglitt Yannas steifen Fingern. Sie blinzelte zu Rajatshas hoch. Es war nur ein kurzer Moment gewesen, in dem sie mit sich gerungen hatte. Doch ein Moment, in dem Rajatshas mühelos hätte eingreifen können, wenn er gewollt hätte.
„Ich verstehe nicht“, stammelte Yanna.
„Du batest um dieses Treffen, weil du mich töten wolltest. Denkst du, das war mir nicht von Anfang an klar? Wieso bringst du es nicht zu Ende?“
Entsetzt wich Yanna zurück. „Du… wusstest es?“
Rajatshas lachte hart auf. „Ich habe deine Freunde hingerichtet. Ich habe deinen Hass auf mich deutlich gespürt. Und du glaubtest tatsächlich, dass ich auf den Vorwand, dass du mit mir reden willst, hereinfalle?“ Er holte zu Yanna auf, packte sie an den Handgelenken und zog sie zu sich heran. „Wieso hast du es nicht getan?“ Er schüttelte sie, seine Augen nun nicht mehr kalt sondern glühend vor Zorn. „Wieso?“
„Du wolltest, dass ich dich töte?“ Doch während sie in die wütenden grauen Augen starrte, begriff sie, dass sie den falschen Schluss gezogen hatte.
„Ich wollte, dass du es versuchst.“
„Wieso?“
Der König antwortete nicht.
Aber Yanna verstand auch so. Sie sah es in seinen Augen, spürte es. Ihre Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. „Du wolltest einen Grund, um mich endgültig hassen zu können. Doch lass dir von mir gesagt sein, dass dir das nicht helfen wird. Du wirst dich dadurch nicht besser fühlen. Ich weiß, wovon ich rede.“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ Rajatshas ließ Yannas Handgelenke so abrupt los, dass die junge Frau beinahe gefallen wäre. „Nur, weil wir verbunden sind, bedeutet das nicht, dass wir dieselben Entscheidungen treffen.“
„Du glaubst, dass du mich töten könntest, wenn dein Hass auf mich nur groß genug wäre?“ Die Tatsache, dass Rajatshas sich mit dem Gedanken auseinander gesetzt hatte, sie umzubringen, schmerzte. Doch letztendlich hatte sie dasselbe getan, hatte es sogar beinahe zu Ende gebracht. „Ich glaube nicht, dass es dir besser ginge, wenn ich tot wäre“, sagte Yanna langsam. „Als ich es tun wollte… “ Sie stockte, weil sie zweifelte, ob Rajatshas das überhaupt hören wollte. Doch der König hörte aufmerksam zu.
„Ich hatte das Gefühl, dass dein Tod alles noch viel schlimmer machen würde. Dass ich vielleicht sogar selbst nicht weiterleben könnte… in einer Welt ohne dich.“
Rajatshas’ Gesicht war verdeckt von der üblichen kühlen Maske, doch seine Augen wirkten nachdenklich.
„Warum nur kannst du dich nicht ändern?“, brach es aus Yanna heraus. „Wenn du ein besserer Herrscher sein könntest, dann würde ich vielleicht tatsächlich bei dir bleiben und wir beide müssten nicht länger leiden!“ Yanna wusste, dass sie einen Fehler gemacht hatte, noch bevor Rajatshas ihr seine Antwort ins Gesicht spie: „Du warst nie Regentin. Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst.“
„Aber ich bin ein Teil des Volkes! Den Menschen geht es schlecht! Du bist nichts weiter als das, was deine Mutter aus dir machen wollte!“
„Schelash mag Fehler gemacht haben, doch wenn es um die Königsfamilie und die Regierung ging, traf sie stets die richtigen Entscheidungen.“
„Auch, als sie mich hinrichten lassen wollte, damit ich dich nicht weiter beeinflussen konnte? Casaquann hat uns nur deshalb zu Zwillingsseelen gemacht, damit du ein besserer Herrscher als deine Mutter wirst!“
„Casaquann ist schuld an unserer Qual.“ Rajatshas’ Blick war kalt und unnachgiebig. „Es interessiert mich nicht, was er durch sein Handeln
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