Götterbund (German Edition)
Wald hinein, nur um schließlich eine halbe Ewigkeit am Boden zu sitzen und wieder den Rückweg einzuschlagen. „Ich kann dir das erklären.“
„Das hast du bereits.“ Shaquess wedelte mit dem Abschiedsbrief. „Die Rebellen verlangten von dir, Rajatshas zu töten, doch du konntest es nicht. Weil du glaubtest, dass dies die einzige Lösung sei, wolltest du gehen“, fasste er Yannas geschriebene Worte zusammen.
„Es war ein Fehler. Eine Kurzschlussreaktion.“ Sie wollte sich nicht ausmalen, wie sie sich fühlen würde, wenn sie einen solchen Abschiedsbrief von Shaquess erhalten hätte. Sie wäre verletzt, wütend… doch seltsamerweise entdeckte sie keine dieser Emotionen in Shaquess’ Augen.
„Natürlich war es das“, sagte er und lächelte. „Du würdest niemals deine Freunde verlassen. Jedenfalls nicht, nachdem du richtig darüber nachgedacht hättest.“
„Du hast Recht.“ Yanna wagte ein zögerliches Lächeln. „Und auch dich würde ich nicht einfach so verlassen. Jedenfalls nicht, nachdem ich richtig darüber nachgedacht hätte.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Noch nie zuvor waren sie und Shaquess derart nahe daran gewesen, offen über ihre Gefühle zu sprechen.
Doch der Taissin schien nichts Ungewöhnliches an ihren Worten zu finden. Sein Lächeln wurde nur eine winzige Spur breiter. „Umso mehr freut mich, dass du beschlossen hast, das Nachdenken nachzuholen.“
„Mich auch.“ Wie hatte sie auch nur eine Sekunde glauben können, sie würde es ihr ganzes restliches Leben ohne diesen Mann aushalten? „Warum hast du mich nicht schon früher angesprochen? Anstatt nur hinter einem Baum zu stehen und mich zu beobachten?“
„Ich wollte sehen, wie du dich entscheidest“, sagte Shaquess, als sei es das Selbstverständlichste der Welt. „Ich wollte dich nicht dabei beeinflussen.“
„Heißt das… “ Yanna schluckte. „Wenn ich mich entschieden hätte, weiter zu gehen… “
„Ich hätte dich nicht aufgehalten.“
„Wieso nicht?“
„Hätte ich dich denn aufhalten sollen?“, stellte Shaquess die Gegenfrage.
„Ja… nein…“ Sie wusste ganz sicher, dass Ehliyan sie niemals hätte einfach so gehen lassen. Für ihn bedeutete Freundschaft, dass man sich ganz selbstverständlich in die Angelegenheiten des anderen einmischen durfte. Genau dieses Verhalten zeigte Yanna, dass sie ihm wichtig war.
„Ich denke nicht, dass ich einfach hätte zusehen können, wenn du kurz davor gewesen wärst, für immer zu gehen“, gestand sie. Ihr lag eine Frage auf der Zunge, doch sie traute sich nicht, sie zu stellen. Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Yanna gab sich einen Ruck. „Wäre es dir egal gewesen, wenn ich gegangen wäre?“
Shaquess’ Augen blitzen amüsiert auf. „Weil ich dich deine Entscheidungen selbst treffen lassen will, denkst du, dass du mir egal bist?“
So hatte Yanna es nicht gesagt und das wusste er. Doch sie wusste, dass sie es im Grunde so gemeint hatte.
Der Taissin schüttelte lächelnd den Kopf. „Du bist mir nicht egal. Das solltest du wissen.“
Die junge Frau spürte, wie sich ihre Lippen zu einem Grinsen formten. „Das ist die erste gute Nachricht des Tages.“
Shaquess lachte. „Es tut mir leid, dir die gute Laune verderben zu müssen, aber du solltest langsam zu den Rebellen zurückkehren. Ich bin sicher, sie machen sich Sorgen um dich.“ Damit wandte er sich um und schlug den Weg zurück zur Stadt ein. Yanna holte seufzend zu ihm auf. „Du verstehst es wirklich, einem die schönen Momente im Leben zu verderben.“
Yanna beobachtete, wie die Sonne langsam am Horizont versank. Sie wusste nicht, wie lange sie schon vor der Haustür stand und sich nicht traute, hinein zu gehen. Sie würden sie fragen, wo sie den ganzen Tag gewesen war. Was sie getan hatte, nachdem sie den Anschlag auf Rajatshas abgebrochen hatte. Sie wollte ihre Freunde nicht anlügen, aber ebenso wenig wollte sie ihnen gestehen müssen, dass sie in Erwägung gezogen hatte, ihr Zuhause für immer zu verlassen.
Die Sonne verschwand. Zurück blieben nur einige rote und lilafarbene Streifen am Himmel. Und auch die wurden dünner und dünner, bis sie drohten, ganz zu verschwinden.
Sie konnte diese Auseinandersetzung nicht ewig aufschieben. Und je eher sie das Haus betrat, desto früher hätte sie die Wut, die Enttäuschung und die Vorwürfe hinter sich.
Yanna atmete ein letztes Mal tief ein, dann öffnete sie die Tür.
Im ersten Moment geschah gar nichts, dann ging ein
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