Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
Schöpfer ihren Vernichtungszug gegen die Föderation starten sollten, lag Millionen Meilen von jenem Ort entfernt, an dem Ortegas Flottenverband ihr Auftauchen erwartete. So konnte sich der Angriffsschwarm der Burgons fernab jeder menschlichen Präsenz sammeln und in Marschordnung formieren.
Nachdem sie den riesigen Klontanks ihrer Schöpfer entstiegen waren und gelernt hatten, ihre Glieder zu gebrauchen, hatte ihre Konditionierung die Burgons auf eine enge Umlaufbahn um ihre Heimatsonne geführt, wo sie Monate damit zugebracht hatten, ihre Energiespeicher zu füllen. Jetzt vibrierten ihre mächtigen Leiber beinahe vor ungezügelter Kraft, und der Gedanke an die bevorstehenden Kämpfe erfüllte sie mit dem gleichen brennenden Zerstörungsdrang wie einst der Klang der Schlachthörner die Streitelefanten Hannibals. Der Weg bis zur Erfüllung dieses alles beherrschenden Dranges war jetzt nicht mehr weit …
Als Colonel Farr die Engstrahlverbindung zur Brücke der Santa Esmeralda aktivierte, hatte er eine Entscheidung getroffen. Sie mussten den Transferpunkt zum Burgon-System finden, bevor Pendragon Base angegriffen wurde. Zwar hatten sich die Harpyien bislang normal verhalten, wie ihm Direktor Morcelli mehrfach versichert hatte, aber falls sie irgendwann doch noch Alarm schlugen, würde es zu spät sein. Die Vernichtung der Burgon-Flotte und der Angriff auf ihr Heimatsystem mussten zeitgleich erfolgen, sonst wären die Goleaner gewarnt.
Dass all diese Erwägungen bislang hypothetischer Natur waren, vermochte Farr nicht mehr zu beeindrucken. Die Anwesenheit der Harpyien auf Pendragon Base war ihm Beweis genug.
»Mrs. Ortega.«
»Colonel?« Angesichts der klaren Monitorbilder war die Vorstellung eigentlich überflüssig, aber sie gehörte nun einmal zum Ritual.
»Gibt es einen neuen Stand, was das ›Rattenloch‹ anbetrifft?«
»Negativ, Colonel. Koroljovs KIs haben die Wahrscheinlichkeitssphäre zwar noch einmal eingegrenzt, aber solange hier keine Burgons auftauchen, haben wir wohl keine Chance. Es sei denn, wir erhielten die Freigabe für aktive Ortungsverfahren.«
»Sie meinen die Flechette-Batterien?«
»Genau die, Colonel.«
»Dann erteile ich die Freigabe hiermit, Kommandantin Ortega. Wenn es sein muss, auch mit Signalmunition.«
»Zu Befehl, Colonel Farr!«
Die dunkelhaarige Frau verzog keine Miene dabei, aber Farr wusste, dass sie innerlich jubilierte. Ortega war ein altes Schlachtross, das den Pulverdampf schon im Vorfeld riechen konnte. Und dank Farrs Entscheidung war die Möglichkeit eines Angriffs entscheidend näher gerückt …
»Over and out.«
Das Bild der Ortega verblasste, aber das schwierigere Gespräch stand Farr noch bevor.
Als er Miriam am Abend anrief, hatte die Neuigkeit natürlich bereits die Runde gemacht, sodass er sich verfängliche Begründungen ersparen konnte. Dennoch war Miriam alles andere als begeistert:
»Was ist los? Glaubst du etwa, sie sind schon unterwegs zu euch?«
Er erklärte es ihr.
»Schön, dass ich das erfahre, bevor du dich endgültig aus dem Staub gemacht hast«, bemerkte sie sarkastisch. Ihr Lächeln war wie eine Maske, die jede Gemütsregung verbarg.
»Ich wollte dich nicht beunruhigen.«
»Das weiß ich, Ray. Aber ich möchte nicht wie ein Kind behandelt werden. Nicht von der Ortega und erst recht nicht von dir.«
»Bemuttert sie dich?«
»Was denkst du denn? Manchmal denke ich, du hast sie genau deswegen ausgesucht.«
Das war nicht ganz falsch, aber er würde sich hüten, das zuzugeben.
Außerdem gab es auch eine Reihe durchaus handfester Gründe, die für Ortega sprachen …
»Unsinn. Sie ist die Beste für diesen Job.«
»Schon gut.« Sie lächelte versöhnlich. »Und wie geht es dir? Du siehst müde aus.«
»Ich mache mir Gedanken.«
»Du meinst Sorgen.«
»Das auch, natürlich.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber nicht wegen Pendragon Base. Es ist nur ein Stützpunkt, und wenn wir ihn wegen einer falsch interpretierten Warnung räumen, dann kostet mich das maximal ein paar Sterne oder die Pension. Aber ich könnte danach immer noch in den Spiegel schauen …«
Er brach ab, aber Miriam wusste ohnehin, was er damit andeuten wollte.
»Versuch nicht, mir ein schlechtes Gewissen zu machen, Ray«, erwiderte sie mit unterdrücktem Groll. »Ich bin hier, weil ich es so wollte. Und wenn wir den Zugang finden, dann werde ich hineingehen und tun, was getan werden muss. Dich trifft dabei nicht die geringste Schuld, denn es ist nicht dein
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