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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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kleinen Knecht mit sich herum, der auf den Namen, besser gesagt, den mythologischen Spitznamen Saint-Amour hörte. Das Vergnügen, gemeinsam zu jagen, hatte diesen Stallhalunken bei Otto eingeführt; unmerklich hatte sich eine Laune zu einer ausgesprochenen Vorliebe gewandelt, und bald zeigte sich der junge Graf, was seinen Gefährten anbelangte, rasend eifersüchtig. Selbst bei kleinen Dingen war Saint-Amour nicht mehr sein eigener Herr: Sobald sie bereit waren, um gemeinsam auszugehen, schickte ihn sein kapriziöser Tyrann wieder heim, andere Male überhäufte er ihn mit Beleidigungen und brachte ihn wegen vermeintlicher Rivalen zum Weinen. Nicht selten waren auch Fußtritte und Ohrfeigen, auf die Versöhnungen folgten; das alles geschah vor aller Augen, sodass Herr von Oels, der sich allmählich erholte, eines Tages ironisch fragte: «Ob das wohl das Griechisch ist, das Baron Cramm seinen Schüler gelehrt hat?»
    Saint-Amour war klein, behände, hatte rotes, strohiges Haar und verwirrte auf den ersten Blick durch eine besondere Hässlichkeit, doch mit seinen grünen und hellen Augen und seinem zerknautschten Gesichtchen, das vor Laster, Verheißung und Unverschämtheit nur so funkelte, war seine Wirkung noch schlimmer, als wenn er lediglich hübsch gewesen wäre. Schon bald zeigte sich der Ganymed mit den buntesten Krawatten, hautengen Kleidungsstücken, voller Silber, Pomade, Ringen – und überall, wo er diesen zur Schau stellen konnte, trug er Schmuck; im Übrigen war er gefräßig und niederträchtig, redete gerne vulgär und war somit wie für Otto geschaffen.
    Nach und nach wurden die letzten Arbeiten abgeschlossen und vierzehn Tage lang folgte ein Einzug auf den anderen: die Belcredi, Graf Franz, die Kammerherren, kurz, die meisten des Trosses, und alle waren nur wenig begeistert von ihrem neuen Aufenthaltsort. Überall unterschiedliche Raumhöhen, Stufen, verwinkelte Ecken, Türmchen, verborgene Zimmer, die als Abstellkammer und Garderoben maskiert waren, und zwischen so viel Pracht gab es extreme Unzweckmäßigkeit und den Anblick äußerst dunkler, enger, stinkender Gemächer. Emilia ließ sogar einige unverhohlene Klagen los, die, wären sie dem Herzog zu Ohren gekommen, ohne Zweifel die ihr gewährte Gunst geschmälert hätten, die darin bestand, ihre Intrigen ebenso vollständig zu ignorieren wie er über sie informiert war und sie in seinen Diensten zu behalten. Doch im Gedenken an Claribel wollte er die Italienerin anders behandeln als irgendeine andere. Er richtete ihr also eine feste Stellung ein und ernannte sie, zusätzlich zu Augusta, zur Ehrendame der Gräfin Christiane.
    Schließlich blieben im alten Palais nur ein paar Diener, die alles ausplünderten, die seherische Augusta, die den Neubeginn im noch feuchten Putz hinauszögern wollte, sowie Hans Ulrich und seine Schwester, die möglicherweise froh waren über diese Einsamkeit. Sie dauerte aber nur kurz; ein Befehl des Herzogs traf ein, der so ungeduldig und bestimmt war, dass es schnellstens gehorchen und ins Hôtel Beaujon umziehen hieß; und gleich danach wurde das Gebäude an den Champs-Élysées zum Verkauf angeschlagen.
    Am nächsten Tag ließ Karl von Este gegen zwei Uhr seine vier Kinder, Giulia Belcredi, Arcangeli und seine anderen Vertrauten in Galauniform herbeirufen, dann setzte sich Seine Hoheit an die Spitze des Zuges und erfreute sich daran, sie durch das gesamte neue Stadthaus zu führen. Sie machten zahllose Stationen im Garten, in der Fasanerie mit ihren nur erdenklichen seltenen Vogelarten, und vor allem in den berühmten, herrlich erleuchteten Kellern. Der Herzog tänzelte vor Vergnügen, trug den Kopf hoch und stieß fortwährend Lachsalven aus, die in ein Wiehern übergingen, als Herr von Cramm versehentlich gegen das Tafelwerk des hintersten Kellerraums stieß und damit von allen Seiten her klingelnde Alarmglocken auslöste: «Ach, ach, von Cramm!», sagte Herzog Karl mehrmals. «Ich habe Sie ertappt, Sie haben versucht, mich zu bestehlen!»
    Und er schwenkte mit Tränen in den Augen seinen Schlüsselbund. Dann stieß Seine Hoheit eine Tür in der dicken Wand auf, die so exakt eingepasst und deren Schloss so gut verborgen war, dass man sie unmöglich entdecken konnte. Eine Wendeltreppe mit ungefähr vierzig Stufen und einem Geländer endete an einer verborgenen Eisentür und führte zu einem überwölbten Verlies, der versteckten Schatzkammer.
    Dort ruhten in eingemauerten und mit schweren Stangen gesicherten

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