Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
Finsternis ab und sorgt für Eintracht und Wohlstand.«
»Kommt es nicht auch vor, dass Könige irren?«
»Unsere Geschichte beweist es.«
»Erweist sich der König als unzuverlässig, versündigt sich das Volk, und die Sittenlosigkeit übernimmt die Macht. Der Pharao hat sich zuallererst um die Götter zu kümmern, nicht um die Menschen. Verkennt er diese Reihenfolge, führt er uns ins Verderben.«
Kel glaubte seinen Ohren nicht zu trauen: Hatte Wahibra nicht eben behauptet, Amasis sei ein schlechter Herrscher?
Der Oberpriester erhob sich und sah dem jungen Schreiber lange in die Augen.
»Ich glaube an deine Unschuld, mein Junge, weil ich dein Herz erforscht habe. Das bedeutet, dass wir uns in einer äußerst ernsten Lage für unser Land befinden. Die Machthaber lassen zu, dass eine falsche Anklage erhoben wird, hohe Würdenträger sind in eine Verschwörung verwickelt, und man ist nicht davor zurückgeschreckt, abscheuliche Morde zu begehen.«
»Vielleicht habe ich den Grund dafür hier in der Hand«, meinte Kel und zeigte dem Priester den verschlüsselten Papyrus.
Trotz all seines Wissens und seiner Gelehrsamkeit war Wahibra nicht in der Lage, die Schrift zu entziffern.
»Das Übersetzeramt steht mit dem Geheimdienst in enger Verbindung«, erinnerte er. »Henat leitet beide Ämter und ist dem König Rechenschaft schuldig, der den Griechen gewogen ist. Bestechlichkeit und der Verlust einiger Werte bedeuten ihm wenig, solange sich nur seine Verbündeten in Naukratis, in Memphis und in anderen Städten im Nil-Delta ansiedeln.«
»Soll das heißen, Amasis könnte für dieses große Unglück verantwortlich sein?«, fragte Nitis.
»Wir können es jedenfalls nicht ausschließen.«
»Wenn es so wäre, würden Ordnungshüter und Gerichtsbarkeit in seinem Auftrag handeln, ohne sich um die Wahrheit zu scheren!«
»Kel wird sich weiter hier verstecken«, entschied Wahibra. »Er hat genug gelernt, um die Aufgaben eines reinen Priesters erfüllen zu können. Du und ich, Nitis, wir stellen jeder für sich Nachforschungen an und sammeln alles, was Kel entlasten könnte. Sollten die Mörder tatsächlich Würdenträger sein, werde ich Mittel und Wege finden, ihre finsteren Pläne zu durchkreuzen.«
18
D ie Neuigkeiten sprechen sich schnell herum«, sagte der liebenswürdige Menk, Leiter der Feste in Sais, zu Nitis. »Es freut mich zu hören, dass Ihr zur Ersten Sängerin und Weberin ernannt worden seid. Gemeinsam werden wir ausgezeichnete Arbeit leisten. Darf ich mir die Bemerkung erlauben, dass ich Euch großartig finde?«
»Wenn man bedenkt, wie unerfahren ich bin, wird mir Eure Hilfe bestimmt sehr nützlich sein.«
»Vor allem dürft Ihr niemand vor den Kopf stoßen. Wollt Ihr älteren Priesterinnen Befehle erteilen, solltet Ihr das äußerst behutsam und auf ihre Vorrechte bedacht tun. Verletzt Ihr sie, werden sie Eure Feinde und machen Euch Ärger ohne Unterlass. Versucht, sie in Euren Bann zu schlagen, macht Euch Euren Zauber zunutze, dann werden sie alle hinter Euch stehen. Und was die Schwierigkeiten mit den Ritualen anbelangt, so werde ich Euch diese Aufgabe in jedem Fall erleichtern. Sobald Ihr mich braucht, ruft nach mir, und ich eile herbei.«
»Ich danke Euch schon mal im Voraus ganz herzlich.«
»Der Hohepriester hat recht daran getan, Euch zu seiner Schülerin zu machen, Nitis. Euch haben wir es zu verdanken, wenn die Zukunft fröhlich wird.«
»Ich werde mich bemühen, der Göttin Neith so gut wie irgend möglich zu dienen.«
»Bei den Gegenständen, die für die Zeremonien verwendet werden, müsst Ihr unnachsichtig auf erstklassige Ware bestehen. Der Oberpriester erwartet den besten Weihrauch, die besten Öle und die feinsten Duftwasser. Und auch die Gegenstände, die in unseren Werkstätten angefertigt würden, müssen makellos sein. Bleibt noch eine etwas heikle Geschichte: die Stimmen der Sängerinnen. Manche vergessen nämlich, an ihnen zu arbeiten, andere halten sich irrtümlich für begabt. Ihre Stimmen zu verbessern, wird Euch viel Mühe kosten.«
»Nachdem wir mit unserem Gesang die Götter verehren wollen und nicht die Menschen, werde ich mich dabei nicht verausgaben.«
»Das nächste Fest findet in einer Woche statt. Alles ist bereit, mit Ausnahme der Barke für die Prozession, die die Tempelschreiner gerade erst instand gesetzt haben. Wir sehen sie uns morgen früh an.«
Die junge Frau wirkte verstimmt.
»Angesichts des Ausmaßes an Arbeit, das auf mich zukommt, werde ich wohl
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