Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
kaum weiter an Festmählern wie dem teilnehmen können, das der Große Schatzmeister kürzlich veranstaltet hat.«
»O nein, ganz im Gegenteil – Ihr müsst Euch auch entspannen! Wenn Ihr zu viel arbeitet, geht Euch Eure Hellsicht verloren. Außerdem seid Ihr durch Eure Stellung verpflichtet, solche Feste zu besuchen, auf denen sich die Würdenträger an Eurer Gegenwart erfreuen können. Sie gelegentlich zu treffen und ihr Wohlwollen zu genießen, ist unerlässlich.«
»Die Anwesenheit eines Gastes hat mich an dem Abend sehr überrascht.«
»Oh … Wen meint Ihr denn?«
»Einen jungen Schreiber und Übersetzer. Habt Ihr ihn nicht bemerkt?«
»Er ist mir nicht aufgefallen.«
»Warum hat ihn denn der Minister zu diesem Essen eingeladen?«
»Das weiß ich nicht«, gestand Menk.
»Wenn es stimmt, was geredet wird, soll dieser Kel, wenn er denn so heißt, schreckliche Verbrechen begangen haben.«
Menk machte mit einem Mal den Eindruck, als fühle er sich nicht wohl.
»Wisst Ihr mehr darüber?«
»Er soll fast alle anderen Schreiber ermordet haben.«
»Solch ein Verbrechen in Sais? Undenkbar!«
»Ihr habt also nichts davon gehört?«
»Nein, nichts.«
»Und Ihr kennt auch diesen jungen Schreiber nicht?«
»Ich höre soeben zum ersten Mal von ihm.«
»Ich rufe die Sängerinnen am späten Nachmittag zusammen. Wollt Ihr Euch die Probe anhören?«
»Es tut mir leid, aber ich bin bereits vergeben. Nächstes Mal gerne. Alles Gute, Nitis.«
Menk verließ den heiligen Bezirk und eilte zu seinem Vorgesetzten, Udja, dem Stadtvorsteher.
Die Arbeitszimmer von Udjas Verwaltungsbereich beanspruchten einen ganzen Flügel des Palastes. Er war ein großer Arbeiter und besprach sich jeden Tag mit dem Herrscher und unterbreitete ihm eine Zusammenfassung der wichtigen Fälle, die aufzuarbeiten waren. Amasis traf schnelle Entscheidungen, Udja führte sie aus.
Menk musste sich eine lange Stunde gedulden, ehe ihn der königliche Siegelbewahrer empfing. Er stand vor einem großen Fenster und blickte bewundernd auf Sais.
»Ist das nicht eine herrliche Stadt? Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang gönne ich mir das nicht enden wollende Vergnügen ihres Anblicks. Und wir machen sie immer noch schöner.«
»Ja, Herr, gewiss.«
Udja wandte sich um und musterte den Festveranstalter.
»Du scheinst sehr erregt zu sein, das kenne ich von dir gar nicht. Gibt es Ärger?«
»Nein, aber Gerüchte … Ein schreckliches Gerücht!«
»Ich höre.«
»In Sais, hier bei uns, sollen Morde geschehen sein.«
»Die Opfer?«
»Die Schreiber aus dem Übersetzeramt. Und der Mörder soll einer von ihnen sein, ein sogenannter Kel, den ich erst vor Kurzem bei einem Festmahl getroffen habe. Mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken hinunter … Aber das alles ist doch wohl hoffentlich falsch?«
»Wer verbreitet denn diese Gerüchte?«
»Eine Freundin … Eine gute Freundin, die ich sehr schätze und der ich vertraue. Deshalb bin ich auch so in Aufruhr. Ich will sie eines Besseren belehren, und Ihr seid der Einzige, der mir dabei helfen kann.«
»Wie heißt sie?«
»Das kann ich Euch nicht sagen.«
»Ich will ihren Namen wissen.«
»Wenn es sich aber doch nur um ein falsches Gerücht handelt!«
»Kel hat in der Tat die Schreiber aus dem Übersetzeramt ermordet«, versetzte der Siegelbewahrer. »Man wird ihn verhaften, richten und verurteilen. Da es sich um eine Angelegenheit handelt, bei der es um die Sicherheit unseres Landes geht, wünscht Seine Majestät größte Verschwiegenheit, die Würdenträger sind zum Schweigen verpflichtet. Also – wie heißt deine Freundin?«
»Nitis, sie ist die neue Oberpriesterin der Sängerinnen und Weberinnen von Neith.«
»Im Vertrauen, unser Geheimdienst untersucht diese Angelegenheit, deren mögliche Folgen uns noch nicht alle bekannt sind. Ich gebe dir einen guten Rat: Halte dich von dieser furchtbaren Sache fern!«
»Ich schweige wie ein Grab«, versprach Menk. »Und ich will kein einziges Wort mehr von diesen Verbrechen hören.«
»Empfehle deiner Freundin Nitis, äußerst vorsichtig zu sein. Heißt es nicht, dass zu viel reden schadet?«
»Ich werde ihr den guten Rat geben.«
»Und bereite uns ein schönes Fest vor, Menk. Unsere Stadt soll fröhlich bleiben.«
19
P ef, der Große Schatzmeister und Vorsteher der Felder, war außer sich. Erneut hatte ihm Amasis das erforderliche Geld für die Wiederherstellung des Tempels von Abydos verweigert. Für ihn ging es einzig und allein um die
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