Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
Festungswerke. Es gab dort mehrere Tempel, vor allem den der Aphrodite, der Schutzpatronin der Seeleute und der Schifffahrt, die der ägyptischen Isis-Hathor entsprach.
Im Hafen wurde Griechisch gesprochen, und Kel war froh, dass er mehrere Dialekte bei seinem Lehrer gelernt hatte, der lange im Palast untergebracht war, um dem König und seinen Beratern diese Sprache beizubringen. Der Schreiber bog in eine schmale Gasse ein, die zum Handwerkerviertel führte, wo Töpfer, Goldschmiede, Hersteller von Amuletten und Skarabäen sowie Schmiede arbeiteten. Diese hatten die Erlaubnis, Klingen und Pfeilspitzen aus Eisen für die griechischen Söldner zu schmieden, aus denen Amasis' Truppen hauptsächlich bestanden.
Kel wandte sich an einen alten Mann, der vor seinem Haus saß.
»Ich suche den Lehrer Glaucos.«
»Da gehst du am besten zum Zollamt, dort kennen sie jeden Einwohner der Stadt.«
Amasis erhob Steuern und Abgaben auf alle Waren, und kein Händler entkam dem Heer seiner Zollbeamten.
Weil der Schreiber mit den Behörden lieber nichts zu tun haben wollte, befragte er nach und nach an die zehn Handwerker, bekam aber keine Antwort. Vielleicht würde er mehr Glück haben, wenn er einen öffentlichen Schreiber oder einen Priester aufsuchte. Also ging er zum Apollo-Tempel, der kaum zu übersehen war. Mit seiner Umfassungsmauer erinnerte er an eine Festung.
Ein Träger schwankte unter der Last der Silberschalen, die für das Heiligtum bestimmt waren, und kam kaum noch vorwärts.
»Darf ich Euch helfen?«
»Gern, bis ans Ende der Treppe! Die vielen Stufen sind eine Plage. Wohnst du hier in der Gegend?«
»Nein, ich bin auf der Suche nach Lehrer Glaucos.«
»Den Namen hab ich schon mal gehört … Letzten Monat musste ich ihm Schreibtafeln bringen. Wenn wir die Sachen im Tempel abgeliefert haben, bringe ich dich zu seinem Haus.«
Der Lehrer wohnte am Ende einer ruhigen kleinen Straße mit einigen bequemen Häusern für Würdenträger.
Ein Pförtner bewachte den Eingang.
»Was willst du, mein Junge?«
»Ich möchte Lehrer Glaucos sprechen.«
»Wen soll ich melden?«
»Einen ehemaligen Schüler.«
Der junge Mann war sauber und gut gekleidet und benahm sich anständig … Dieser Besucher schien kein lästiger Bettler zu sein. Also ging der Pförtner los, um seinem Herrn den Besuch zu melden.
»Glaucos erwartet dich.«
Wie es in Ägypten Brauch war, zog Kel seine Schuhe aus und wusch sich Hände und Füße, ehe er das schmucke Haus betrat, in dem es griechische Vasen mit Bildern aus der Odyssee in den unterschiedlichsten Formen und Größen gab.
Glaucos saß in einem schönen Sessel aus Ebenholz, in den Händen hatte er einen Stock.
»Ich bin fast blind und kann dein Gesicht nicht erkennen«, sagte der Lehrer. »Wie heißt du denn?«
»Könnt Ihr Euch an den Schreiber Kel erinnern?«
Der alte Mann lächelte erfreut.
»Mein bester Schüler, aber natürlich! Du warst der Einzige, der mehrere griechische Dialekte gesprochen hat, und du hast unglaublich schnell gelernt! Bist du mit deinem Beruf zufrieden?«
»Ich kann mich nicht beklagen.«
»Eines Tages wirst du ganz oben landen. Dem König kann diese große Begabung nicht verborgen bleiben, und am Schluss wirst du Minister.«
»Seid Ihr denn mit Eurem Ruhestand zufrieden?«
»Das Alter besteht leider nur aus Unannehmlichkeiten, aber ich habe zum Glück ergebene Diener. Mein Koch versorgt mich sehr gut, und ein Freund liest mir jeden Tag griechische Gedichte vor. Das Leben scheint langsamer zu verlaufen, und ich versuche immer wieder, mich an die guten alten Zeiten zu erinnern. Was führt dich nach Naukratis?«
»Das Essen ist angerichtet«, meldete der Koch.
»Hilf mir bitte auf«, bat Glaucos.
Der Schreiber und sein Lehrer begaben sich ins Esszimmer und ließen sich mit Knoblauch, Kreuzkümmel und Koriander geschmortes Rindfleisch schmecken. Gesteigert wurde der Genuss noch durch einen gewürzten Wein aus der Gegend.
»Ich muss einem griechischen Schreiber namens Demos ein Schriftstück übergeben. Er wohnt seit Kurzem in Naukratis. Habt Ihr vielleicht von ihm gehört?«
»Die Beförderung von Schreibern, die der König für die Stadt ernennt, kümmert mich nicht mehr. Naukratis wird immer größer, und jeden Tag tauchen neue Gesichter auf. Ehrlich gesagt glaube ich aber, dass Kaufleute und Soldaten den Löwenanteil unter sich ausmachen.«
»Das finde ich auch«, stimmte ihm Kel zu, »und ich suche außerdem noch nach einem Milchhändler aus
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