Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
viel zu viel zu tun. Und von diesem Wein hier kriegt man keinen schweren Kopf: Er enthält weder Honig noch Gewürze. Obwohl er etwa zwanzig Jahre gelagert wurde, ist er sehr leicht und erfrischt den Geist.«
Kel kostete den Göttertrank – die Griechin hatte nicht übertrieben.
»Es gibt wirklich kein besseres Land«, fuhr sie fort. »Schau dir nur mal die Griechen an, die nach Naukratis kommen! Sie ertragen den Gedanken nicht, dass eine Frau frei sein und heiraten kann, wen sie will, dass sie sich scheiden lassen und ihren Wohlstand genießen und vererben kann, an wen sie will, allein auf den Markt gehen, Geschäfte abschließen und einen Betrieb leiten kann. Die Überheblichkeit der Männer wird nur noch von ihrer Dummheit überboten. Es macht mir großen Spaß, mit anzusehen, wie diese Angeber Söldner im Dienst des Pharaos werden und für die Unabhängigkeit von Ägypten und den Ägyptern sorgen.«
»Ihr seid also nicht verheiratet?«, erlaubte sich Kel zu fragen.
»Zu meinem großen Glück bin ich geschieden! Kurz nachdem ich in Naukratis ankam, habe ich einen Reeder aus Milet geheiratet. Und ihn dann bald mit einer Dienerin im Bett überrascht. Die Scheidung wurde zu meinen Gunsten entschieden, und ich bekam eine nicht unerhebliche Abfindung, die ich sofort gewinnbringend angelegt habe. Mit einem Wort – Freiheit und Vermögen! Ein paar gute Einfälle, viel Arbeit und Erfolg. Die ägyptischen Händler wissen mich zu schätzen, ich führe hochwertige Waren ein und kaufe Ländereien, meine Leute werden stets gut bezahlt. Heute besitze ich mehrere Häuser in Naukratis, und die örtlichen Würdenträger schätzen sich glücklich, wenn sie meine Gäste sein dürfen. Du scheinst dich allerdings nicht besonders wohl bei mir zu fühlen!«
»So viel Ehre steht mir nicht zu.«
»Das habe ich zu entscheiden. Du machst mich neugierig, junger Mann, du scheinst anders als die andern zu sein. Wer bist du, und was suchst du in Naukratis?«
Was sollte er machen? Eine Ausrede suchen oder es wagen, einen Teil der Wahrheit preiszugeben? Diese Frau machte den Eindruck, als wäre sie so gefährlich wie eine Schlange.
Kel hatte keine Wahl. Als Fremder in dieser geschlossenen, wenn nicht sogar feindlichen Welt musste er den Sprung ins kalte Wasser wagen.
»Ich bin Schreiber und Übersetzer und stamme aus Sais. Ich bin auf der Suche nach zwei Männern, die sich hierhergeflüchtet haben. Der eine ist mein Freund Demos, der andere ein Milchhändler namens Starrkopf, der sich hier als Söldner verdingen will.«
Zeke schien überrascht.
»Warum sagst du, dass sie ›geflüchtet‹ sind?«
»Alle beide sind in ein Verbrechen verwickelt, und ich vermute, dass sie sich in Naukratis versteckt halten.«
»In ein Verbrechen! Sind sie denn schuldig, oder werden sie zu Unrecht verfolgt?«
»Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Deshalb will ich sie ja auch sprechen, um zu erfahren, was sie dazu zu sagen haben.«
»Könnte es vielleicht sein, dass du der Hauptbetroffene bist?«, fragte Zeke und sah ihn herausfordernd an.
»Ich werde zu Unrecht beschuldigt.«
»Wie heißt du?«
»Kel.«
Die Geschäftsfrau verzog keine Miene. Die Ermordung der Übersetzer wurde also geheim gehalten, in Naukratis war man nicht davon unterrichtet.
Aber wie lange noch?
»Demos und Starrkopf«, sagte sie und betonte jede Silbe einzeln. »Willst du ihnen womöglich schaden?«
»Demos ist mein Freund!«, widersprach der Schreiber. »Und mit dem Milchmann habe ich immer gern geschwatzt, ich hielt ihn für einen anständigen Mann. Vielleicht sind sie geflohen, weil sie etwas wissen, womit ich meine Unschuld beweisen kann.«
»Ein Verbrechen, sagst du. Wer wurde getötet?«
»Die Übersetzer in Sais. Und es ist, glaube ich, eher ein Verbrechen auf höchster Ebene. Niemand will etwas damit zu tun haben!«
»Oh, ein wichtiger Hinweis! Ich muss jetzt wohl die Ordnungshüter verständigen.«
»Richtig.«
Dame Zeke lächelte geheimnisvoll.
»Irrtum, mein Lieber! Erstens bin ich kein Spitzel; außerdem kann es mir sehr nützlich sein, dass du gelernter Schreiber und Übersetzer bist. Da du Griechisch und Ägyptisch lesen kannst, kannst du Verwaltungsschreiben viel leichter beurteilen und ihren wesentlichen Inhalt viel schneller zusammenfassen als meine anderen Schreiber. Und du bist auf meine Hilfe angewiesen und hast keine Zeit zu verlieren.«
»Glaubt Ihr denn, Ihr könnt Demos und den Milchhändler aufspüren?«
»Wenn sie hier in Naukratis
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