Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
das … ich bin frei?«
»Es gibt keine Anschuldigungen gegen dich.«
»Dann gibt es doch noch eine Gerechtigkeit in diesem Land!«
Bebon bekam einen Laib frisches Brot, einen Wasserschlauch und ein Paar neue Sandalen. Sobald er das Gerichtsgebäude verlassen hatte, begrüßte er die Sonne und den blauen Himmel.
Sein erstes Ziel: ein Gasthaus. Endlich ein starkes Bier, ohne das man keinen klaren Gedanken fassen konnte.
Wie sollte er Kel finden, dessen einziger Freund er war? Wohin könnte der Schreiber geflohen sein? Eine winzige Spur gab es vielleicht …
Als er gehen wollte, merkte Bebon, dass man ihn beobachtete.
Da lief er ziellos durch die Straßen, änderte mehrmals die Richtung, überquerte einen Marktplatz, unterhielt sich mit einigen Händlern und entdeckte schließlich wieder seinen Verfolger.
Dann war seine Freilassung also nur ein geschickter Schachzug! Richter Gem glaubte, dass der Schauspieler mit Kel gemeinsame Sache machte und ihn zu seinem Freund führen würde.
Den lästigen Kerl aus dem Weg zu räumen, käme einem Schuldbekenntnis gleich. Deshalb tat Bebon so, als würde er ein Zimmer im zweiten Stock eines Gasthauses mieten, in dem viele fahrende Händler verkehrten. Kaum angekommen, kletterte er aufs Dach und sah, wie sich sein Verfolger vor dem Haus einen Beobachtungsposten suchte. Von Dach zu Dach springend, gelangte Bebon zurück in die Stadtmitte, kletterte zu Boden und bog in eine kleine Straße, die zum Neith-Tempel führte.
Nitis, die Priesterin, die Kel bei dem Festmahl am Abend vor der Ermordung der Übersetzer getroffen hatte, wusste vielleicht mehr.
Sie musste mit ihm reden – wohl oder übel.
Dem Brief zufolge, den ihr der Bote gerade gebracht hatte, sollte Nitis dringend zu ihrem Haus kommen, weil es irgendwelche Schwierigkeiten mit Baumaterial gäbe. Obwohl sie eigentlich keine Zeit hatte, beschloss sie, die Angelegenheit sofort zu regeln.
Sie hatte das Haus kaum betreten, als ihr jemand den Mund zuhielt.
»Nicht schreien! Und versuch ja nicht wegzulaufen.«
Die Tür wurde hinter ihr geschlossen.
Dann schob der Angreifer die Priesterin in ein Zimmer.
»Ich heiße Bebon und bin der einzige Freund des Schreibers Kel. Entweder beantwortest du mir meine Fragen, oder ich muss dich erwürgen.«
»Frage.«
»Oberpriesterin der Sängerinnen und Weberinnen von Neith … Du warst nicht schwer zu finden! Die reinen Priesterinnen reden nur noch von deiner Beförderung und deiner strahlenden Zukunft. Gibst du zu, dass du Kel kennst?«
»Ja, ich gebe es zu.«
»Hast du ihm bei dem Festmahl die Falle gestellt?«
»Ich bin für diese üblen Machenschaften nicht verantwortlich.«
»Beweise es mir!«
»Und was ist mit dir, bist du wirklich sein Freund oder aber ein Spitzel, der Kel finden soll?«
Bebon brach in Gelächter aus.
»Ich – ein Spitzel? Das ist ja wirklich unerhört. Ebenso gut könnte man mich beschuldigen, ein verheirateter Familienvater zu sein.«
Mit dieser Behauptung wirkte der Schauspieler sehr überzeugend.
»Ich glaube an Kels Unschuld und habe ihm geholfen, sich zu verstecken«, sagte Nitis.
Bebon seufzte erleichtert.
»Dann bist du also eine Verbündete … Den Göttern sei Dank! Wo hält er sich versteckt?«
»Er ist nach Naukratis gereist. Demos und Starrkopf, die etwas mit der Ermordung der Übersetzer zu tun haben, wollten sich dort niederlassen. Kel will sie suchen und befragen.«
»Wenn sie schuldig sind, werden sie ihn töten!«
»Ich konnte ihm sein Vorhaben nicht ausreden«, klagte Nitis. »Er meint, ihm bliebe kein anderer Ausweg. Schließlich hält man ihn für einen flüchtigen Mörder.«
»Ich werde ihm zu Hilfe eilen«, versprach Bebon.
Der Schauspieler machte ein verlegenes Gesicht.
»Bitte entschuldigt, dass ich so grob war, aber ich dachte, Ihr steckt mit den Verbrechern unter einer Decke.«
Nitis lächelte freundlich.
»Ich hätte es nicht anders gemacht.«
»Wenn Ihr Kel helft, könnt Ihr in große Schwierigkeiten geraten.«
»Ist es nicht Pflicht einer Priesterin, nach der Wahrheit zu suchen und die Lüge zu bekämpfen?«
»Es ist mir eine Ehre, Euch kennengelernt zu haben.«
»Bring mir Kel wohlbehalten zurück. Gemeinsam werden wir seine Unschuld beweisen.«
35
A n einem einzigen Tag hatte Kel mehr Arbeit erledigt als die drei anderen Schreiber der Dame Zeke in einer ganzen Woche. Einige Verwaltungsfragen waren geklärt worden, der Betrieb der Ländereien musste grundlegend erneuert und die Einträge
Weitere Kostenlose Bücher