Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
letzten Verbände und bat Nitis, ihn gehen zu lassen. Er hielt es nicht länger im Haus aus und wollte sich unbedingt vergewissern, dass sein Freund Nedi nicht umsonst gestorben war.
Die Priesterin erlaubte es ihm nur ungern, und er musste ihr versprechen, dass er sich nicht in Gefahr bringen würde. Zu seiner eigenen Überraschung gab ihr der Schauspieler ernsthaft das Versprechen, er wolle vorsichtig sein.
Als es Nacht wurde, führte Nitis Bebon zu der kleinen Pforte an der Nordseite der Tempelmauer, die bei Sonnenuntergang verschlossen wurde. Sie besaß einen Schlüssel, den sie ihm gab. Zurück sollte er denselben Weg nehmen und darauf achten, dass ihn kein Wächter bemerkte.
Wie köstlich die Nachtluft war. In einem goldenen Käfig zu leben, war eindeutig nichts für ihn. Unsicherheit und Gefahr lockten und erregten ihn.
Er sollte in eine Verschwörung verwickelt sein? Seinetwegen! Die Verschwörer mochten sich nur an ihn halten. Wenn sie Kel angriffen, der zu keiner gemeinen Tat fähig war, traten sie die Grundwerte mit Füßen. Und das konnte Bebon, auch wenn ihm nicht viel an Sitte und Anstand gelegen war, nicht dulden. War die Gerechtigkeit etwa nicht die Grundlage jeder Gesellschaft, die diesen Namen verdiente?
Bebon erreichte den südlichen Stadtrand von Sais, auf den eine üppig grüne, von zahllosen Kanälen bewässerte Landschaft folgte. In diesem Viertel gab es schöne Landhäuser und eher bescheidene Behausungen, und immer wieder Verkaufsstände und Werkstätten.
Nedi hatte einen reichen Landwirt zum Nachbarn, der stolz auf sein Anwesen war, das inmitten eines Gartens mit Palmen und Brustbeerenbäumen lag.
Alles schien ruhig. Bebon befürchtete aber eine neue Falle und sah sich aufmerksam um.
Weit und breit war kein Aufpasser zu sehen.
Mehrere Male lief Bebon am Haus des Ordnungshüters vorbei.
Totenstille.
Er ging um das Haus herum, stieß den Laden von einem Fenster zum Gemüsegarten auf und schlüpfte ins Haus.
Ein großes Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Kammer und ein Bad. Nedi war Witwer und lebte nicht schlecht. Als Liebhaber guter Tropfen hatte er einen gepflegten Weinkeller, den Bebon jetzt aufsuchte.
Das Mondlicht schien schwach durch eine vergitterte Fensterluke – gerade so viel, dass man auf den Krügen Herkunft und Jahr lesen konnte.
Es dauerte nicht lange, bis Bebon entdeckt hatte, wonach er suchte: Ein Krug war entkorkt und wieder verschlossen worden. Bebon entfernte den Pfropfen aus Leinen und Stroh.
In dem Krug war kein Wein, sondern ein aufgerollter und versiegelter Papyrus – eine zierliche Schrift mit einer erstaunlichen Botschaft.
Mein lieber alter Gauner, hier meine erste Entdeckung: Die Ordnungshüter haben gerade einen Schieber festgenommen, der mit Waffen handelt, die in Naukratis gelagert waren. Weil er Schutz von höchster Stelle genießt, musste der gute Mann nur Strafe zahlen. Ich setze meine Untersuchung fort. Sollte mir etwas zustoßen, findest du bestimmt diesen Papyrus. Und vergiss nicht, auf meine Gesundheit zu trinken. Der Krug aus Imet aus dem Jahr drei von Amasis enthält einen wahren Göttertrank.
Bebon ließ sich das nicht zweimal sagen und erwies seinem Freund die letzte Ehre. Der Rotwein war sehr stark und versetzte ihn in einen Tiefschlaf, aus dem er erst spät am nächsten Vormittag erwachte.
Der Schauspieler vertrieb sich die Zeit mit etwas getrocknetem Fisch und wartete die Dämmerung ab, ehe er das Haus verließ.
Noch immer herrschte Totenstille.
Als Bebon den Gärtner des reichen Bauern entdeckte, steuerte er auf ihn zu.
»Mein Vetter Nedi ist nicht zu Hause«, sprach er ihn an, »weißt du vielleicht, wann er zurückkommt?«
»Dann hast du wohl nicht gehört, dass …«
»Was ist mit ihm?«
»Ein Herzanfall hat ihn das Leben gekostet.«
»Hier, in seinem Haus?«
»Nein, auf der Wache. Man hat ihn bereits begraben, und bald wird ein anderer Ordnungshüter sein Haus übernehmen.«
»Mein armer Vetter! Dabei dachte ich, er sei bei bester Gesundheit.«
»Ja, ja, keiner weiß den Tag und die Stunde. Er war ein anständiger Mann!«
»Die Sache ist ganz klar«, sagte Bebon zu Nitis und Wahibra, »eine griechische Aufrührerbande aus Naukratis versucht, sich mit Waffen einzudecken, um den König anzugreifen! Er muss so schnell wie möglich gewarnt werden.«
»Ich stehe unter Hausarrest«, erinnerte ihn der Hohepriester. »Und selbst wenn es mir gelänge, Amasis zu sehen, würde er mir nicht glauben.«
»Vielleicht gibt es
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