Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
doch eine Möglichkeit«, meinte Nitis.
»Ich benötige Eure Hilfe«, sagte die Priesterin zu Menk.
Menk war begeistert. Endlich machte sie den ersten Schritt!
»Ihr wisst bestimmt, dass der König den Hohepriester nicht sehen will.«
»Ja, was ich sehr bedaure, liebe Nitis. Und ich hoffe, dass sich diese unerfreuliche Lage bald ändert.«
»Wahibra ist im Besitz von Neuigkeiten, die für die Rettung des Königreichs von entscheidender Bedeutung sind. Nachdem er den Tempel nicht verlassen darf, sucht er einen vertrauenswürdigen Boten.«
Menks Freude wurde unsanft getrübt.
»Solche Geschäfte sind nicht meine Stärke, außerdem …«
»Der König hört auf Euch, weil er weiß, dass Ihr rechtschaffen und streng seid. Die Sache betrifft uns alle, weil es um die Zukunft Ägyptens geht. Diese Botschaft nicht weiterzugeben, wäre ein schwerer Fehler.«
»Das ist eine äußerst heikle Angelegenheit. Ich weiß nicht, ob …«
»Der Hohepriester vertraut Euch. Und ich auch. Aber wir sind beide machtlos. Ihr allein könnt die Zwei Länder retten!«
Wenn er sich nun auf die Sache einließ und damit den König verärgern sollte, war seine Laufbahn schlichtweg beendet; verweigerte er sich Nitis' Anliegen allerdings, so hatte ihre Beziehung keine Zukunft.
»Woher soll ich diese Neuigkeit denn haben?«
»Der Überbringer hat seinen Namen nicht genannt, ein Söldner, der sich Euch anvertraut hat. Ihr glaubt zwar nicht, dass das wirklich wahr ist, hieltet es aber für unerlässlich, Seine Majestät zu warnen.«
»Ihr verlangt viel von mir!«
Nitis lächelte ihn an.
»Ich habe nie an Eurem Mut gezweifelt, Menk. Euer Einsatz beweist dem König, dass Ihr unverbrüchlich zu ihm steht. Und das wird er Euch auch lohnen.«
Diese Aussicht beruhigte Menk ein wenig.
»Ich habe in vier Tagen ein Treffen unter vier Augen mit Seiner Majestät. Reicht Euch das?«
»Das ist ausgezeichnet, so erregt Ihr kein Aufsehen.«
»Ich hoffe sehr, dass nicht etwa hohe Würdenträger aus dem Palast beschuldigt werden.«
»Die Hinweise beziehen sich auf einen Waffenhandel.«
Das klang allerdings beunruhigend, und Menk hörte Nitis aufmerksam zu.
60
D a Pythagoras mittlerweile als wichtige Persönlichkeit galt, kam er in den Genuss von Amasis' Großzügigkeit. So hatte er zum Beispiel auch ein eigenes Boot, das sich mit ihm und seinem persönlichen Schreiber an Bord, den er in Memphis eingestellt hatte, auf den Weg Richtung Sais machte. So ging Kel allen Kontrollen aus dem Weg und hatte eine angenehme Reise.
Bald sollte er Nitis wiedersehen.
Und wenn es Pythagoras gelingen würde, den König zu überzeugen, wäre der junge Schreiber endlich wieder ein freier Mensch mit einer Zukunft.
Die beiden Männer saßen im Heck, das von einem zwischen vier Pfosten gespannten Segeltuch beschattet wurde, und genossen den friedlichen Anblick einer Landschaft aus Palmenhainen und gut bewässerten Feldern, die an ihnen vorüberzog. Ein schwarzer Ibis flog über sie hinweg.
»Der Vogel von Thot, Verwahrer der heiligen Wissenschaften und Schutzherr der Schreiber«, sagte Pythagoras. »Wir Griechen nennen ihn Hermes. Er hat mich gelehrt, dass unsere Welt nur eine kleine Insel ist, die mitten aus dem Urmeer der Kräfte aufgetaucht ist. Als der Schöpfer sein eigenes Licht betrachtete, schenkte er dem Leben, das aus dem Leben entstanden war, Leben. Und die Einweihung in die Mysterien von Isis und Osiris macht dieses Leben bewusst. Denn das wahre Leben ist nicht etwa unser armseliges Dasein, sondern der Zugang zum Licht.«
»Der Leiter des Übersetzeramts hat einmal zu mir vom Ka der Welt gesprochen, den eben dieses großherzige Licht versinnbildlicht. Jeden Morgen huldige ich der aufgehenden Sonne, die die Auferstehung ankündigt.«
»Vertraue auf die Göttin Neith, mein Sohn. Männliche, die Weibliches schafft, weibliche, die Männliches schafft, endlos große Wasserfläche, die die Ewigkeit schafft, lebendige Vorfahrin, strahlender Stern, Vater und Mutter – sie wird dir die Tore zum Himmel öffnen.«
Das Schiff legte an der großen Hafenmauer von Sais an. Pythagoras begab sich in den Palast; Kel blieb an Bord und wartete, aber der Tag wollte und wollte nicht zu Ende gehen.
Erst kurz vor Sonnenuntergang kam der griechische Denker zurück und schlich über die Landebrücke.
»Ich habe vollkommen versagt«, erklärte er. »Amasis glaubt, ich sei haltlosen Gerüchten zum Opfer gefallen.«
»Habt Ihr denn auf Eurer Aussage beharrt?«
»So sehr,
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