Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
nicht dorthin gelangen. Ich kann es einfach nicht ertragen mit anzusehen, wie du dein Leben aufs Spiel setzt, Nitis.«
»Es ist jetzt unser Leben. Und wir können es nur retten, wenn wir die Wahrheit herausfinden – und wenn uns die Götter nicht im Stich lassen.«
»Eine winzige Hoffnung.«
»Wir sind aber auch nicht unbewaffnet«, tröstete sie ihn. »Erstens haben wir Bebons Bekannte in Oberägypten; außerdem sind da noch die Orte, an denen sich die Macht der Göttin Neith zeigt, und die mir mein verstorbener Meister genannt hat. Dort bekommen wir bestimmt wertvolle Hilfe, und den ersten dieser Orte erreichen wir schon bald.«
Weil Nitis gezwungen war, wieder zu ihren Reisebekanntschaften zu gehen, und Bebon schlief, lehnte sich Kel an das Geländer und betrachtete den Nil – das irdische Spiegelbild des himmlischen Flusses, der die Lebenskraft ins Herz des Universums trägt. Indem er die Ufer überschwemmte, schenkte er den Menschen alles, was sie brauchten, um glücklich und in Frieden zu leben. Beging der König aber Unrecht, konnte es kein Glück geben.
Im Hafen von Faijum legte das Schiff an, und die Reisenden aßen an Land zu Mittag, während die Mannschaft das prächtige Schiff gründlich reinigte. Der Kapitän überwachte derweil die Lieferung von Bier und Wein, eingemachten und frischen Lebensmitteln. Fisch wurde täglich frisch von den Seeleuten gefangen. Seinen Gästen sollte es an nichts fehlen, damit sie sich auf ihrer Reise rundum wohlfühlten.
Zu seiner Überraschung sah er, wie der Diener der schönen Grundbesitzerin den Esel mit den Ledertaschen bepackte, als ob er sich mit ihm auf den Weg machen wollte. Und ihr Verwalter trug plötzlich einen Rucksack und hatte einen Wanderstock in der Hand.
Nun verließ auch die junge Frau ihre Kabine. Ihr vornehmes Kleid hatte sie gegen ein einfaches Gewand getauscht.
»Nefertem, wollt Ihr uns schon verlassen? Seid Ihr etwa nicht zufrieden mit meinem Schiff?«
»Ganz im Gegenteil, Kapitän, es ist alles in Ordnung. Aber mein Verwalter hat mir soeben von einem ungewöhnlichen Anliegen eines meiner Bauern, hier ganz in der Nähe, berichtet. Das möchte ich auf der Stelle klären, anschließend machen wir uns, nach einem kurzen Halt in einem Nachbardorf, wo ich einen Betrieb besitze, auf den Rückweg nach Memphis. Aber wenn ich das nächste Mal nach Khemenu will, nehme ich auf jeden Fall wieder die Skarabäus, so angenehm fand ich die Fahrt mit Eurem Schiff.«
»Ich muss Euch einen Teil des Fahrpreises zurückgeben …«
»Kommt nicht in Frage, Kapitän. Eure ausgezeichnete Bedienung und Bewirtung ist diese kleine Belohnung mit Sicherheit wert.«
Götter im Himmel, war das eine wunderbare Frau! Ein wenig wehmütig beaufsichtigte der Seemann das Ablegemanöver.
26
P hanes von Halikarnassos war vom Ersten Offizier, der für die Sicherheit im Hafen von Memphis verantwortlich war, unterrichtet worden und hatte sofort Siegelbewahrer Udja verständigt. Der seinerseits sprach bei Henat, dem Leiter des Geheimdienstes, vor und ließ Richter Gem zurückrufen, der die Stadt gerade verlassen hatte.
Die vier Würdenträger konnten es noch kaum glauben: Sollte es ihnen tatsächlich endlich dank eines glaubwürdigen Hinweises gelingen, den Schreiber Kel festzunehmen? Diese Meldung wäre wirklich Gold wert.
»Sollen wir den König verständigen?«, fragte Phanes die anderen.
»Falls das Unternehmen scheitert, wäre es für ihn nur eine weitere Enttäuschung«, meinte der Richter. »Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele falsche Gerüchte und ergebnislose Untersuchungen es in der Sache Kel gegeben hat.«
»Diesmal scheint es sich aber um einen zuverlässigen Hinweis zu handeln«, wandte Henat ein.
»Versuchen wir unser Bestes«, meinte der Richter. »Wir müssen doch nicht bereits im Voraus mit dem Ergebnis prahlen.«
»Dem Bericht des Wachmanns zufolge ist die Zuverlässigkeit ein älteres, regelmäßig überholtes Schiff, das schwere Lasten laden kann«, sagte Phanes. »Seine nächste Ladung ist dagegen eher leicht: Stoffe, Weinfässer und Edelmetalle.«
»Wohin geht die Fahrt?«, fragte Henat.
»In das Reich der Gottesdienerin – nach Theben.«
Alle hielten den Atem an.
»Das ist in der Tat ein wichtiger Hinweis«, gab der Siegelbewahrer zu. »Was wissen wir über den Kapitän?«
»Er ist Mitte fünfzig, erfahren, Vater von vier Kindern und ein sehr lebenslustiger Mann.«
»Irgendwelche Laster?«
»Er spielt.«
»Dann hat er also Schulden.
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