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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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loszustürmen, um Megas zu stellen, kann ich dich beruhigen. Ich habe schon begriffen, dass es keinen Sinn macht, Megas nachzujagen, solange er von seiner gesamten Flotte geschützt wird.«
    Seine Kiefermuskeln spannten sich bei diesen Worten. »Oder hast du etwa deshalb geschwiegen, weil du überhaupt nicht mehr nach Seewaith zurück willst?«
    Meatril zuckte mit den Schultern. »Mein Pflichtgefühl sagt mir, dass wir so bald wie möglich zurückfahren sollten, allein schon, um die Fortschritte bei der Wiedererrichtung der Schule zu kontrollieren. Wenn du aber wissen möchtest, ob ich das auch tun will, dann kann ich nur mit ›nein‹ antworten. In Seewaith werden zu viele Wunden wieder aufgerissen, die sich gerade erst halbwegs geschlossen haben. Das ist wahrlich nichts, was ich gerne auf mich nehme. Trotzdem werde ich euch begleiten, wenn ihr nach Seewaith wollt.«
    Targ sah seinen Freund nach dieser offenen Antwort mitfühlend an und begann dann wieder, abwesend zu Boden zu starren.
    Nach einigen Augenblicken des verlegenen Schweigens rang sich Rai endlich dazu durch, wieder das Wort zu ergreifen. »Also gut, dann fehlt uns eigentlich nur noch ein geeignetes Schiff.« Er richtete seine dunklen Augen fragend auf Barat. »Ich hatte gehofft, dass wir einen der Segler des Cittempels nehmen könnten. Unter dem Sonnenbanner zu reisen, wäre auch gleich eine gute Tarnung. Ein paar fällige Matrosen und einen einigermaßen erfahrenen Kapitän können wir ja mit dem verbliebenen Tempelgold anheuern.«
    Barat jedoch fuhr unvermittelt auf, stieß wütend seinen Stuhl nach hinten und verließ mit den Worten »Hier macht ja doch jeder, was er will« das Versammlungszimmer.
    Die Zurückgebliebenen warfen sich ob dieser unvermutet heftigen Reaktion des Soldaten verwunderte Blicke zu. Rai bedankte sich eilig bei allen für ihr Kommen und verabschiedete sich von Belena mit dem Versprechen, ihr den Abreisetermin mitzuteilen, sobald dieser feststünde. Dann machte er sich auf die Suche nach seinem aufbrausenden Gefährten, um dessen Missstimmung auf den Grund zu gehen.

 
UNVERSÖHNLICH
     
    D er Gefangene hielt ein Stückchen Brot zwischen den Fingern und schwenkte es zitternd vor einem kleinen Riss in einer Mauerfuge. Sein Gesicht war fahl und fleischlos, beinahe wie ein Totenschädel. Verfilztes, dunkles Haar rahmte dieses Bild der Entbehrung ein, das zwischen spitzen Schultern an einem in Lumpen gehüllten Leib hing. Zerbrechliche Gliedmaßen ragten aus den Kleidungsfetzen, als wären es dürre Äste.
    In diesem Moment streckte eine kleine schwarze Maus ihre Nase aus dem Loch, vor dem der Gefangene mit seinem Brotbröckchen lockte, und schnupperte misstrauisch nach draußen. Als der winzige Nager keine Gefahr feststellen konnte, trippelte er zaghaft zur ausgestreckten Hand des Kerkerinsassen, nahm das Brotstück manierlich zwischen die Vorderpfoten und begann, ohne Scheu genüsslich daran herumzuknabbern. Ein seliges Lächeln erhellte das knochige Gesicht des in Ketten geschmiedeten Häftlings, als er dem Tier bei seiner Mahlzeit zusah. Er schien dabei die bedrückende Wirklichkeit der meterdicken Steinmauern um sich herum, die ihn von Tageslicht, frischer Luft und Freiheit abschnitten, völlig zu vergessen.
    Megas schüttelte voller Verachtung den Kopf. Wie konnte jemand, in dessen Adern dasselbe Blut floss wie in den seinen, nur so gänzlich anders sein als er, so verweichlicht, so schwach und so empfindsam. Er beobachtete seinen Bruder schon eine ganze Weile durch das Gitterfenster der Zellentür, ohne dass dieser etwas davon bemerkt hätte. Seit ihn Megas des Mordes an ihrem Vater bezichtigt hatte, um den Verdacht von sich selbst abzulenken, fristete sein jüngerer Bruder sein klägliches Dasein in dieser Kerkerzelle tief unter dem schillernden Palast von Lechia. Hier unten war von der herrschaftlichen Pracht in den oberen Stockwerken freilich nichts zu bemerken. Es gab nur dunkle, kalte Steine, die von einem schmierigen Feuchtigkeitsfilm überzogen wurden. Weit über eineinhalb Jahre saß sein Bruder Nagas nun schon in diesem zwei mal zwei Schritt messenden Verlies im Schoß der Felsen seiner Heimatinsel.
    Megas fragte sich unwillkürlich, was er an seines Bruders Stelle getan hätte. So machtlos der Willkür eines anderen ausgeliefert zu sein, erschien Megas als eine der schlimmsten Strafen überhaupt. Ein schnelles, blutiges Ende war einem solchen Dahinsiechen bei Weitem vorzuziehen, dachte er. Wenn es wirklich keinen

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