Göttertrank
zusammengerührt und gab mir an, wie ich ihn zu verabreichen hatte, dann gingen wir wieder hoch zu Anton. Er fröstelte, war aber fieberheiß und litt offensichtlich Schmerzen. Ich ließ Jan eine Weile bei ihm, um nach Julia zu sehen, für die es Zeit war, zu Bett zu gehen.
»Frau Amara, ich hab so Bauchweh«, empfing sie mich. »Und der Kopf tut auch weh. Dabei hab ich gar nicht genascht.«
Mir war, als drückte mir eine Last die Schultern nach unten, und nur mühsam bezwang ich den Anflug von vollständiger Mutlosigkeit.
»Nein, Julia. Das ist nicht der Grund. Du bist krank, vermute ich. Doktor Bevering liegt ebenfalls mit Leibschmerzen und Fieber im Bett. Aber Doktor Jan ist hier, und der wird dir gleich etwas bringen, das dir hilft. Auf jeden Fall gehörst du jetzt ins Bett, Liebling.«
Die nächsten Tage verschwimmen etwas in meiner Erinnerung. Natürlich konnten wir Julia nicht nach Bayenthal transportieren, und so hatte ich zwei Kranke zu versorgen. Es blieb nicht aus, dass ich Margarethe den Hauptanteil an Antons Pflege überlassen musste, Hermine fand es unschicklich, ihren Vater zu betten, zu waschen, die Wäsche zu wechseln und mit leichten Suppen oder Brei zu füttern. Ich musste meiner Schwägerin zugutehalten, dass sie derartige Zimperlichkeiten nicht kannte. Alexander war vorbeigekommen, sowie Jan ihm von Julias Erkrankung berichtet hatte, aber er konnte kaum etwas tun. Seine Tochter befand sich im schlimmsten Stadium der Benommenheit und erkannte ihn nicht.
Anton traf in der zweiten Woche die prognostizierte Verschlimmerung der Krankheit mit aller Gewalt. Wir hatten alle Hände voll zu tun, das Bett rein zu halten. Zusätzlich bekam er auch noch einen starken Husten.
Zwei Tage später setzten bei Julia die Durchfälle ein, doch bei ihr blieben wenigstens die Darmblutungen aus. Und die Benommenheit legte sich weit schneller als bei Anton.
Und das war ihr Glück.
Ich lag am Nachmittag auf der Chaiselongue in meinem Zimmer, während Margarethe sich um die Patienten kümmerte, und war in einen beinahe todähnlichen Schlaf versunken, aus dem mich nur mühsam ein panisches Schreien weckte. Trunken vor Müdigkeit wollte ich es ignorieren, aber wieder und wieder drang das Gellen an mein Ohr, und ein Poltern und Klirren folgte. Endlich war ich so weit bei Besinnung, dass ich die Decke abstreifen und zur Tür gehen konnte.
»Frau Amara! Hilfe! Hilfe!«, klang es von Stockwerk über mir.
Plötzlich gehorchten mir meine Füße wieder, und ich sprang die Stufen nach oben zu Julias Zimmer. Hier bot sich ein Anblick des Chaos. Inmitten gesplitterter Medizinfläschchen, ausgelaufener Blumenvasen, umgestürztem Nachtischchen und dem verschütteten Inhalt des Nachttopfs drückte sich das Mädchen, ihr Plumeau wie ein Schutzschild um sich gewickelt, in eine Ecke ihres Bettes. Vor ihr stand mit gesträubtem Bart Schlaginhaufn, den Schnepper wie eine Mordwaffe in der Hand.
Wut kochte in mir hoch.
»Verschwinden Sie auf der Stelle aus meinem Haus«, zischte ich ihn an und stellte mich zwischen ihn und Julia.
»Ich bin gerufen worden. Und das zu Recht. Hier ist dringend vernünftiger ärztlicher Sachverstand gefordert.«
»Wir haben unseren ärztlichen Beistand selbst gewählt. Raus, Sie Dreckfink!« Auch wenn es mir unangenehm war, machte ich einen weiteren Schritt auf ihn zu. »Auf der Stelle!«
»Ich verlasse dieses Haus erst, wenn die Kranken ordentlich versorgt sind.«
»Sie verlassen es sofort.« Plötzlich kam mir ein Gedanke, wie ich seinen Abgang beschleunigen konnte. Ich ergriff seine Arzttasche, die auf der Kommode stand, riss das Fenster auf und warf sie in hohem Bogen auf die Straße. Ein empörtes Wiehern gab Kunde davon, dass sie ein unschuldiges Pferd getroffen hatte. Fassungslos verfolgte Schlaginhaufn meine Tat.
»Sie dürfen das Haus durch die Tür verlassen, Doktor Hauindreck!«
»Das... das... das wird Folgen haben!«
»Hoffentlich. Und jetzt, wenn ich bitten dürfte!«
Mein Herz schlug so stark, dass es mir in den Ohren dröhnte, und als der Arzt endlich vernehmlich die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, musste ich mich an die Wand lehnen, um nicht umzusinken.
»Danke, Frau Amara!«, wisperte Julia kreidebleich und umklammerte noch immer verstört ihr Kissen.
»Keine Ursache.« Meine Stimme war heiser geworden durch den lautstarken Wortwechsel.
»Er wollte mich zur Ader lassen. Aber Doktor Jan hat doch gesagt, das darf man nicht.«
»Es war richtig, dass du um Hilfe
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