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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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botanischen Institut und seinen eigenen Forschungen hatte er nun auch noch die Stelle eines Armenarztes angenommen, eine der Aufgaben, die der Stadtmagistrat der medizinischen Fakultät der Universität übertragen hatte.
    Wir saßen zu dritt beim Abendessen; Margarethe, die inzwischen die allertiefste Trauer abgelegt hatte, und Hermine waren zu einer musikalischen Soiree entschwunden, bei der sie vermutlich auch den Pfarrer Gerlach und Schlaginhaufn treffen würden. Es hätte recht gemütlich werden können, doch Anton, der schon seit dem Vortag über Kopf- und Gliederschmerzen geklagt hatte, wurde beim Essen immer grünlicher im Gesicht und entschuldigte sich schließlich. Er stand vom Stuhl auf, machte einen Schritt zur Tür und brach plötzlich mit einem Stöhnen zusammen.
    Jan war aufgesprungen, bevor ich überhaupt begriff, was geschehen war. Er kniete neben ihm nieder und hob vorsichtig seinen Kopf. Anton sah ihn benommen an und fasste sich an die Stirn.
    »Sie haben hohes Fieber, Doktor Bevering. Kopfschmerzen? Leibschmerzen?«
    »Wie? Was...«
    »Bleiben Sie ganz ruhig, wir werden Ihnen Linderung verschaffen.« Jan sah zu mir hoch. »Bist du in der Lage, ihn zusammen mit mir in sein Bett zu tragen?«
    »Ich denke doch. Was hat er, Jan?«
    »Das weiß ich, wenn ich ihn untersucht habe. Nimm du die Beine.«
    Gemeinsam bugsierten wir ihn die Treppe nach oben in unser Schlafzimmer. Umständlich, aber schließlich mit Erfolg brachten wir ihn ins Bett und lösten seine Kleider. Anton war kaum bei Sinnen. Einmal protestierte er schwach, aber Jan beruhigte ihn. Er hatte eine schöne, tröstende Stimme, fiel mir dabei auf. Mit geübten Bewegungen tastete er seinen Patienten ab, betrachtete seine Zunge und roch an seinem Atem. Dann bat er: »Wasser und Seife, für uns beide.«
    »Hinter dem Paravent.«
    Ich deckte Anton zu und strich ihm über die heiße Stirn. Ein ausgesprochen trüber Verdacht regte sich in mir. Aber erst, als auch ich mir gründlich die Hände gewaschen hatte, sah ich Jan fragend an.
    »Gehen wir in dein Zimmer.«
    Dort sagte er nur ein Wort, und es war das, was ich befürchtet hatte. »Typhus.«
    »Er grassiert im Augenblick. Er wird sich angesteckt haben. Was ist zu tun, Jan?«
    »Befinden wir uns nicht im Hause eines Apothekers? Ich werde ihm gleich eine Arznei zusammenstellen, die ihm Erleichterung bringt. Keine Angst, Amara, er ist ansonsten ja ein gesunder Mann. Nicht wie die unterernährten Arbeiterkinder. Sie sterben mir unter der Hand weg. Aber mit guter Pflege sollte er es in zwei, drei Wochen überstanden haben. Es wird allerdings anstrengend.«
    »Das ist es doch immer. Was muss ich tun?«
    »Du willst ihn selbst pflegen?«
    »Lieber ich als eine von Schlaginhaufn empfohlene Hilfe.«
    Jan nickte verständnisvoll. »Sieh zu, dass du den alten Schmutzfink von ihm fernhältst. Er wird ihn nur zur Ader lassen, und das könnte ihn über Gebühr schwächen.«
    »Und ihm Bezoar verabreichen.«
    »Bezoar? Das wird selbst Hauindreck nicht mehr machen.«
    »Doch. Darüber hat sich Anton letzte Woche geärgert. Weil er einem Typhuskranken dieses Zeug verschrieben hat. Was ist das eigentlich?«
    »Dreck. Um es präziser auszudrücken, das Ausgekotzte von Eulen, getrocknet und pulverisiert.«
    Mir begann sich der Magen zu verdrehen. »Das ist ja widerlich.«
    »Stimmt. Und jetzt höre den Rat von Wasserdoktor Jan: Halte ihn und dich so sauber wie möglich. Wann immer du ihn berühren musst, wasch dich hinterher. Schlaf bitte nicht hier in seinem Bett. Es ist nicht ausgeschlossen, dass du dich schon angesteckt hast, Amara. Wenn nicht, musst du alles vermeiden, was dazu führen kann. Und Julia nehme ich morgen mit zu Alexander.«
    »Julia! An sie habe ich gar nicht mehr gedacht.«
    »Verständlich, jetzt denkst du erst einmal an deinen Mann. Lass uns ins Labor gehen, ich will ihm einen Fiebertrank mischen.«
    Während Jan seine Arznei zubereitete, erklärte er mir den Verlauf der Krankheit, und mich begann es ernsthaft zu grausen. In der ersten Woche würde zunehmende Benommenheit, Schmerzen und Fieber auftreten, in der zweiten Woche jedoch heftigste Durchfälle und möglicherweise Darmblutungen. An der Wende von der zweiten zur dritten Woche sollte dann Besserung eintreten.
    »Ich komme nächste Woche wieder vorbei, Amara. Aber wenn etwas Ungewöhnliches eintritt, schick mir Post. Ich spreche nachher auch noch mal mit den Damen Bevering. Sie sollten dir zur Hand gehen.«
    Er hatte seinen Fiebertrank

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