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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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der Arbeitswelt zu interessieren begonnen. Einige Bekannte unterstützten ihn darin, unter anderem der Armenarzt Gottschalk, der ebenfalls die Lage der Arbeiter öffentlich beklagte. Die Artikel der Herren Marx und Engels hatten Max mit weiterem geistigem Futter versorgt, und inzwischen wurden seine provokanten Äußerungen so laut, dass die Polizeispitzel von Kantholz ihn schon im Visier hatten. Alle Versuche, ihn zur Mäßigung anzuhalten, stießen auf taube Ohren.
    »Jeden Morgen müssen sie preußisch pünktlich am Arbeitsplatz antreten. Stellt euch vor, wer auch nur eine Minute zu spät kommt, dem wird der Lohn gekürzt!«, fuhr er jetzt auf, nahm aber das Glas mit dem Champagner gedankenlos an und stürzte es in einem Zug hinunter.
    »Pünktlichkeit ist in einer Fabrik wichtig, Max«, erklärte Lothar ihm. »Frag Amara, sie berechnet, was es kostet, die Dampfmaschine zu betreiben. Jede Minute, die sie in Betrieb ist, verschluckt sie Kohlen.«
    »Richtig, Max. Eine Fabrik kann nur wirtschaftlich arbeiten, wenn die Maschinen bedient werden, und dafür sind die Arbeiter zuständig. Wenn ein Platz nicht besetzt ist, kann an den anderen auch nicht weitergemacht werden.« Alexander versuchte, seine Stimme ruhig zu halten. Schon mehr als einmal hatte er mit Maximilian diese Diskussion geführt.
    »Wirtschaftlich, wirtschaftlich – das ist alles, woran die Bosse denken können. Wirtschaftlich heißt, dass das Geld in ihre Taschen fließt. Aber wer erwirtschaftet es denn? Das sind doch die Arbeiter, die sich für einen Hungerlohn krummschaffen, das sind die Bauern, die einen Bettel für ihre Ware bekommen!«
    »Max, mäßige dich!«
    »Nein, Lothar. Das muss gesagt werden. Und Alexander wird genau deshalb seine Fabrik bauen, um sich an der Knechtschaft der Arbeiter zu bereichern!«
    »Nun mach aber mal einen Punkt, Max. Ich habe vor, eine Fabrik zu bauen, die ein nahrhaftes, bezahlbares Lebensmittel herstellt, damit die weniger Begüterten auch in dessen Genuss kommen. Es wird ihren Hunger stillen und ihnen Energie spenden und auch noch gut schmecken. Dass ich dabei die Investitionskosten dafür bitte wieder zurückerhalten möchte, ist ein völlig legitimes Vorgehen. Ich bin schließlich kein Wohlfahrtsverein, sondern Unternehmer.«
    »Du lügst! Du willst nicht nur deinen Einsatz zurück, sondern den Gewinn scheffeln.«
    »Wenn wir denn Gewinn machen, werde ich einen Teil davon verwenden, die Fabrik auf dem neuesten Stand der Technik zu halten und natürlich auch meinen Anteil davon für mich selbst abschöpfen, ganz richtig. Denn ich trage ja auch das Risiko, wenn wir Verlust machen.«
    »Und mit dieser Ausrede wirst du so viel wie möglich für dich behalten und die Arbeiter bis zum Letzten ausbeuten. So läuft das doch!«
    Maximilian war immer lauter geworden und stapfte jetzt zwischen Kamin und Fenster hin und her, während er ein nächstes Glas Champagner hinunterstürzte.
    »Ich habe nicht vor, Arbeiter auszubeuten. Ich werde anständige Bedingungen schaffen, ihnen einen angemessenen Lohn zahlen und ebenfalls eine Kasse einrichten, aus der sie bei begründetem Arbeitsausfall bezahlt werden. Aber es wird auf Pünktlichkeit, ordentliche Leistung und anständiges Verhalten geachtet werden. Auch wenn das preußische Tugenden sind, die der hiesigen Bevölkerung nicht immer schmecken. Wir leben in einer neuen Zeit, in der der Takt der Maschinen das Leben bestimmt und die Uhren eine neue Bedeutung bekommen. Und das ist erst der Anfang!«
    »Genau das meine ich ja!«, schrie Max ihn an, außer sich vor Wut. »Du und deinesgleichen haben schon immer die Peitsche zu schwingen gewusst. Grafen und Bosse. Und am schlimmsten sind sie, wenn sie beides zusammen sind!«
    Bevor Alexander eine harsche Erwiderung vorbringen konnte, fragte Amara mit ruhiger Stimme: »Und wie sieht deine Lösung für das Problem aus, Max?«
    »Ich werde den Arbeitern helfen. Sie stehen nicht mehr alleine. Wir werden ihnen helfen, sich zu organisieren. Jawohl. Wir werden Arbeitervereine gründen, damit sie gemeinsam gegen die Unterdrückung protestieren können. Wir werden dafür sorgen, dass keiner mehr als zehn Stunden zu arbeiten braucht und dass jede Mehrarbeit vergütet wird! Wir wollen ein unabhängiges Schiedsverfahren bei Arbeitskonflikten. Wir wollen Schutz vor Entlassungen. Wir werden dafür sorgen, dass die Arbeiter ihre Rechte kennenlernen, und ihnen helfen, sie durchzusetzen.«
    »Was für eine Utopie«, seufzte Lothar de Haye und sah

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