Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Reihe scharfer Befehle über die Wüste, und wenig später setzte sich ein Trupp von vierzig oder fünfzig Reitern in Bewegung. Cendrine suchte nach Valerian, doch aus der Ferne sahen alle Uniformierten gleich aus. Einen Moment lang glaubte sie, ihn unter den Reitern zu erkennen, die das Lager verließen, aber ganz sicher war sie nicht.
    Die Zurückgebliebenen, etwa hundert Männer, wurden angewiesen, sich auszuruhen. Sogleich wurden Planen gegen die Sonne aufgespannt, unter denen sich kleine Gruppen zusammenfanden, rauchten oder Karten spielten. Die rund zwanzig Planwagen waren in einem Oval aufgestellt worden und bildeten einen Schutzwall gegen mögliche Angreifer. Die Tatsache, daß nur wenige Wächter aufgestellt wurden, ließ jedoch vermuten, daß nicht wirklich mit einer Attacke gerechnet wurde.
    Cendrine hätte viel dafür gegeben, zu erfahren, welche Nachricht die Boten von ihrem Erkundungsritt mitgebracht hatten. Die Reiter, die man daraufhin ausgesandt hatte, waren bewaffnet gewesen, schienen aber nicht in eine Schlacht zu ziehen. Auch hatte Cendrine bemerkt, daß mindestens drei Ärzte unter ihnen waren.
    Stunden vergingen, ehe die Männer wieder auftauchten. Einige von ihnen erstatteten ihren Vorgesetzten mit versteinerten Zügen Bericht, die anderen zogen sich sofort zurück und verweigerten ihren neugierigen Kameraden jegliche Auskunft über das, was sie gesehen hatten. Statt sich zu den anderen zu gesellen, rotteten sie sich ein wenig abseits zusammen und sprachen kaum miteinander. Cendrine hatte den Eindruck, als stünden einige von ihnen unter Schock. Irgend etwas hatte sie offenbar derart mitgenommen, daß sie kein Wort herausbrachten und nur noch starr hinaus in die Wüste blickten. Ein Arzt wurde abgestellt, sich um sie zu kümmern, aber es war keiner von den Medizinern, die mitgeritten waren; tatsächlich konnte Cendrine die drei nirgends entdecken, sie schienen nicht unter den Heimkehrern zu sein. Auch Valerian saß nicht bei den anderen.
    Ein weiterer Trupp wurde ausgesandt, diesmal vom Kommandeur persönlich angeführt. Neben etwa hundert Reitern folgten ihm fünf Planwagen; Cendrine nahm an, daß sie Medikamente transportierten.
    Die Sonne hatte längst ihren höchsten Punkt überschritten, ehe einige der Männer zurückkehrten. Das Gesicht des Kommandanten war grau, als er ohne ein Wort vom Pferd sprang und sich mit einigen der ranghöchsten Offiziere in sein Zelt zurückzog. Die Hitze war beträchtlich geworden – um die vierzig Grad, schätzte Cendrine –, aber trotz dieser Temperatur lag eine starke Unruhe über dem Lager. Die Soldaten, die zum zweiten Beobachtertrupp gehört hatten, hockten immer noch beieinander, viele von ihnen schliefen, wahrscheinlich von den Beruhigungsmitteln, welche die Ärzte ihnen verabreicht hatten. Offenbar hatten sie den Befehl erhalten, über das, was sie gesehen hatten, nicht zu sprechen.
    Cendrine hatte mittlerweile den gesamten Wasservorrat der beiden Wagenlenker ausgetrunken. Sie ließ den Korken offen, damit die Männer glauben mußten, der Inhalt des Lederschlauchs sei ausgelaufen. Beinahe ebenso groß wie ihr Durst war ihre Neugier. Obwohl sie nun schon den ganzen Tag lang das Treiben im Lager beobachtete, war es ihr noch nicht gelungen, Einzelheiten zu erfahren – dafür fanden alle Gespräche in zu großer Entfernung statt. Näher heranzuschleichen aber war unmöglich, nicht bei Tageslicht.
    Also wartete sie, bis die Dunkelheit anbrach. Mittlerweile war sie so ungeduldig geworden, daß es ihr beinahe gleichgültig war, ob man sie entdeckte. Kaum war die Sonne hinter den flachen Hügelkämmen versunken, kletterte sie erneut aus dem Wagen und näherte sich flink einer Gruppe unbewachter Kamele, die etwa zwanzig Meter entfernt in einer provisorischen Koppel aus Holzstäben und Seilen lagen. Kauernd wartete sie im Schutz der Tiere, bis die Lagerpatrouille vorbeigezogen war, dann band sie eines der Kamele los. Es schnaubte protestierend, doch keiner der Soldaten, die an Lagerfeuern oder in Zelten schliefen, schien es zu bemerken. Cendrine hatte einige der Räucherwürste in ihre Decke gewickelt und verstaute sie jetzt in einer der Satteltaschen. Anschließend wog sie prüfend den Wasserschlauch in der Hand, den der Reiter des Tieres zurückgelassen hatte. Er war halb voll.
    Sie schloß für einige Sekunden die Augen, hielt dann vor Aufregung die Luft an und schwang sich auf den Rücken des Kamels. Sie hatte mittlerweile Übung im Umgang mit den

Weitere Kostenlose Bücher