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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Bogen hinter der Anrichte.
    Weder der Verlust seiner Waffe noch die verletzte Hand vermochten den Butler aufzuhalten. Er taumelte einen Augenblick lang, dann warf er sich mit bloßen Händen auf seinen Gegner. Seine gesunden Finger klammerten sich um den Topf und entrissen ihn Adrians Händen. Mit Getöse fiel er zu Boden. Dann prallte Johannes gegen Adrians Brust, während seine blutüberströmten Finger sich ins Gesicht seines Opfers verkrallten und nach den Augäpfeln tasteten.
    Ehe Johannes ihn blenden konnte, winkelte Adrian beide Arme an und ließ die Ellbogen mit aller Kraft in die ungeschützten Seiten des Butlers krachen. Johannes riß den Mund auf, seine Hände lösten sich von Adrians Gesicht, und er stolperte zu Boden. Adrian setzte augenblicklich nach. Er packte den San an den Armen, wirbelte ihn herum und gab ihm einen heftigen Stoß zwischen die Schulterblätter, der ihn durch eine offene Tür in eine der Vorratskammern taumeln ließ. Sofort sprang Adrian hinterher und riß die Tür zu. Der Schlüssel steckte. Er drehte ihn zweimal herum, dann sank er keuchend zurück, fing sich am Rand der Anrichte.
    Die Tür erzitterte unter den Schlägen des Butlers. Das Holz wirkte nicht besonders stabil – es hatte nie etwas Kräftigeres als ein paar Mäuse aufhalten müssen –, aber für den Augenblick würde es reichen.
    Bis heute hatte Adrian geglaubt, Selkirk habe schlichtweg den Verstand verloren, als er seine Familie ermordete. Mittlerweile aber fragte er sich, ob sich einige der Opfer von damals nicht gegenseitig getötet hatten. Nach dem, was mit Johannes geschehen war, aber auch mit seinen Eltern, schien dies plötzlich mehr als wahrscheinlich.
    Seine Eltern! Er mußte zu ihnen. Und er mußte die Mädchen finden. Er durfte nicht zulassen, daß auch sie sich etwas antaten.
    Adrian rannte los. Ihn selbst schien die Macht der Schamanen vor der Wirkung des Sturms zu beschützen. Das Wohlergehen der anderen lag jetzt allein in seiner Hand.
    Wenn Salome und Lucrecia etwas zustieß, würde er sich das nie verzeihen. Dieses eine Mal mußte es ihm gelingen, seine Fähigkeiten so einzusetzen, daß etwas Gutes daraus erwuchs. Keine Spielereien mehr. Kein Zögern. Er hätte sich dem, was in ihm war, von Anfang an offen stellen sollen. Vielleicht wäre ihm dann klarer gewesen, was jetzt zu tun war; vielleicht hätte er all das vorhergesehen, hätte die anderen warnen können … Da, du tust es schon wieder, dachte er zornig. Du verschwendest Zeit damit, dir selbst leid zu tun.
    Er hätte viel dafür gegeben, hören zu können, ob im Musikzimmer noch auf dem Flügel gespielt wurde. Hastig rannte er den Gang hinunter, dann durch die Innere Eingangshalle. Die Tür zum Musikzimmer stand immer noch offen.
    Für einen Sekundenbruchteil flackerte ein Bild durch Adrians Geist. Wie angewurzelt blieb er stehen. Ein stummer Aufschrei stieg in ihm auf.
    Von hier aus konnte er nur einen Teil des Zimmers einsehen. Er mußte sich zwingen, die letzten Schritte bis zur Tür zu gehen.
    Titus Kaskaden lag auf dem Teppich, dessen Muster jetzt viel dunkler war als zuvor. Die langen Stahldornen eines dreiarmigen Kerzenleuchters steckten in seinem Oberkörper, zwei in seiner Brust, der dritte unterhalb des Kehlkopfs. Der breite Messingfuß des Leuchters wies nach oben wie ein Dolchgriff. Madeleine kniete mit leerem Blick daneben und versuchte, eine brennende Kerze auf dem Metallfuß zu befestigen. Das heiße Wachs rann über ihre Finger, doch sie schien es nicht zu bemerken. Als die Kerze endlich hielt, lächelte sie zufrieden und blickte durch die Flamme zu Adrian auf.
    »Lauf nicht weg«, flüsterte sie. Nur ein Hauch, der nicht einmal die Kerze zum Flackern brachte.
    Sekundenlang konnte er sich nicht bewegen. Konnte einfach nur dastehen. Auf seinen toten Vater starren. Auf seine Mutter, die jetzt nach einer zweiten Kerze griff.
    Er wollte gar nicht völlig begreifen, was geschehen war. Die Endgültigkeit. Die Folgen. Wollte nichts davon wahrhaben.
    Jäh fuhr er herum.
    Die Mädchen! Er mußte die Mädchen finden!
    Zurück durch die Innere Eingangshalle, die Treppe zum ersten Stock hinauf, einen Korridor entlang nach Norden.
    Der Gang endete vor einem Fenster. Draußen erbebte das Tal unter der Gewalt des Sturms. Adrian verharrte kurz und blickte hinaus.
    Eine Gestalt in Weiß kam mit ruhigen Schritten auf das Haus zu, unberührt von dem Chaos, das sie umgab.
    Adrian spürte etwas. Eine Kraft, die wie ein Lichtstrahl durch die dunklen

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