Göttin der Wüste
– Segelschiffen mit zwei und drei zusätzlichen Ruderdecks – auf die Reise. Im Roten Meer stachen sie in See, erreichten den offenen Ozean und segelten südwärts an der Küste Afrikas entlang.
Als man die Schiffe zwei Jahre später in den Gewässern nahe der Inseln der Heiligen – den Kanaren – wiedersah, und sie bald darauf die Säulen des Herakles – die Straße von Gibraltar – passierten, hatte sich ihre Zahl beträchtlich verringert. Die Galeeren brauchten ein weiteres Jahr, um entlang der Gestade Nordafrikas und durch den mittlerweile vollendeten Kanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer ihren Heimathafen zu erreichen. Tatsächlich hatten sie einige Kisten mit Gold und Geschmeide mitgebracht, doch große Teile der Ausbeute waren, so erklärten die Kapitäne, mit den fehlenden Galeeren auf den Grund des Ozeans gesunken. Niemand, auch nicht Herodot, wußte, ob der Pharao den Phöniziern daraufhin die Köpfe abschlagen ließ, doch Selkirk äußerte in seiner Niederschrift zumindest eine derartige Vermutung.
Viel später tauchten Hinweise auf, daß eine der Galeeren an der Küste Südwestafrikas in einen Sturm geraten und dabei auf Grund gelaufen war. Selkirk vertrat die gewagte Theorie, daß die Küstenlinie des Landes zu Zeiten der Phönizier noch eine andere gewesen sei, und obgleich jedermann ihn für verrückt erklärte, vermutete er das Wrack der Galeere weit im Inland, tief im Dünenmeer der Kalahari. Cendrines geographische Kenntnisse reichten immerhin aus, um die Absurdität dieser Idee zu erkennen – vor Jahrmillionen mochte die Küste Afrikas vielleicht so weit landeinwärts verlaufen sein, jedoch ganz gewiß nicht vor wenigen Jahrtausenden!
Was Selkirk veranlaßt hatte, dennoch auf einer derart abstrusen Behauptung zu beharren, wurde erst in den späteren Abschnitten seiner Notizen ersichtlich. In Anbetracht der Tatsache, daß diese Aufzeichnungen offenbar für niemanden außer ihn selbst bestimmt waren, fand Cendrine es erstaunlich, daß er nicht auf den ersten Seiten schon den wahren Hintergrund seiner Expedition in die Kalahari erwähnte. Selkirk mußte große Angst gehabt haben, daß jemand von seinem Geheimnis erfuhr – warum sonst hätte er den Band im Zimmer seiner Lieblingstochter verstecken sollen?
Daß es dem Lord trotz allen Spotts und Hohns gelang, Gelder beim britischen Königshaus und zahlreichen hochgestellten Persönlichkeiten aus Regierung und Wirtschaft für sein Vorhaben aufzutreiben, war nur ein weiterer Beweis für das vortreffliche Renommee, das er in seiner Heimat genoß. Und als er schließlich im Mai 1847 im heutigen Walvis Bay eintraf, verfügten er und seine Assistenten über so großzügig bemessene Mittel, daß sie sich im Wahnsinn ihres Vorhabens bestätigt fühlten.
Doch bis Selkirk tatsächlich ans Ziel seiner Träume kam – und weiter darüber hinaus, als ihm lieb sein konnte –, mußten erst grundlegende Strukturen geschaffen werden. Die Engländer heuerten zahllose Eingeborene an, aber auch Weiße, deren Farmen nichts abwarfen und die froh waren, eine Arbeit zu finden. Stationen wurden auf dem Weg von der Küste nach Osten eingerichtet, um im Fall eines Erfolges einen sicheren Rücktransport der Güter zu garantieren. Ganze Kamelkarawanen wurden aufgekauft, einschließlich ihrer Treiber, Fährtenleser und Kundschafter. Als Selkirk schließlich am Rande der Kalahari eintraf und zum erstenmal erahnen konnte, was ihm tatsächlich bevorstand, folgte ihm eine Heerschar von über hundert Männern und beinahe zweimal so vielen Kamelen und Ochsenkarren.
Cendrine vermutete, daß Selkirk mehrere solcher Bände wie diesen mit Notizen gefüllt hatte, denn der, den sie in Händen hielt, wies erhebliche Lücken auf. So ließ sich der gesamte Beginn der Expedition lediglich aus weitverstreuten Randbemerkungen und Fußnoten rekonstruieren, und ehe Selkirk erstmals den wahren Grund seiner Reise nach Südwest erwähnte, hatte sie bereits drei Viertel des Buches durchgelesen. Möglich allerdings, daß nur dieser Band von bleibender Wichtigkeit für ihn war, enthüllte er im weiteren Verlauf seines Berichts doch ein Rätsel, das er bis dahin streng geheim gehalten hatte.
Denn ein Schiffswrack, und mochten darin noch so große Schätze lagern, war das letzte, was den Lord zu diesem Zeitpunkt seiner Forschungen interessierte. Sein Streben galt etwas ganz anderem, etwas, das so weit hergeholt erschien, daß nur ein Archäologe vom Range Selkirks ernsthaft mit dem
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