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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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der Nähe eines solch großen, attraktiven Mannes gewesen war. Als er sie zu ihrem Stuhl führte, warf Lina ihm einen verstohlenen Blick zu. Gut, sie war möglicherweise noch nie in der Nähe eines Mannes gewesen, der so war wie er. Sie beobachtete, wie der Umhang seinen Körper verlockend umschmeichelte, als er sich umdrehte und neben sie setzte. Er war sehr überzeugend als Gott der Unterwelt.
    »Eurydike, du musst nicht dort hinten bleiben. Du darfst bei deiner Göttin sein«, rief Hades dem Mädchen zu, das immer noch in der Tür stand.
    Beschämt, dass sie den kleinen Geist vergessen hatte, flüsterte Lina dem Gott einen schnellen Dank zu. Eurydike huschte durch den Saal und die Stufen hoch, um ihren Platz neben Linas Stuhl einzunehmen.
    »Fahre fort wie gewöhnlich, Iapis«, sagte Hades.
    Der Daimon nickte dem Gott zu, dann entfernte er sich aus dem Saal.
    »Iapis geht zum Haupteingang des Palastes. Dort wird er verkünden, dass ich Gesuche annehme. Es wird nicht lange dauern, bis die ersten kommen«, erklärte er.
    »Machst du das jeden Tag?«, fragte Lina.
    »Nein.« Hades schüttelte den Kopf.
    »Aha«, sagte Lina. »Wie oft hörst du dir denn die Gesuche an?«
    »So oft, wie es mir nötig erscheint.«
    »Aha.« Wieder verspürte sie Unbehagen angesichts seiner knappen Antworten.
    Hades beobachtete, wie Persephone sich nervös durchs Haar fuhr. Diese kleine Geste machte ihm klar, dass er wieder auf sein unhöfliches Verhalten zurückgefallen war.
Gib der Göttin eine Chance,
klangen ihm die Worte seines Freundes durch den Kopf. Hades räusperte sich und beugte sich zu Persephone hinüber.
    »Ich kann die Bedürfnisse der Toten spüren. Es ist nicht so, dass ich ihre Gefühle und Wünsche hören kann, ich nehme eher ihre zunehmende Ruhelosigkeit wahr. Ich spüre, wenn sie mich brauchen, und dann öffne ich den Großen Saal, um ihre Gesuche anzuhören.«
    »Das ist eine unglaubliche Begabung – auf die Bedürfnisse von Sterblichen reagieren zu können.«
    Hades wandte den Kopf zur Seite, so dass er in die veilchenblauen Augen der Göttin schauen konnte. Ihr Gesicht war ihm sehr nah; er roch den süßen weiblichen Geruch ihres Körpers.
    »Es stößt dich nicht ab, dass ich so eng mit den Toten verbunden bin?«
    »Natürlich nicht«, entgegnete sie. Plötzlich wirkte er so verletzlich, dass Lina das überwältigende Bedürfnis verspürte, ihm mit den Fingern über die Wange zu streichen, die Sorgenfalten zu glätten, die seine Stirn kräuselten. Stattdessen griff sie nach Eurydikes Hand. Sie drückte sie und schenkte dem Geist ein Lächeln, das dieser dankbar erwiderte. »Einige meiner besten Freunde sind tot.«
    Hades blickte vom Geist zur Göttin, und plötzlich keimte in seiner Brust eine Hoffnung mit solch bittersüßer Heftigkeit auf, dass er demonstrativ nach Wein rief, um dieses herzzerreißende Gefühl zu verdrängen.
    Unverzüglich stellten die Diener einen kleinen Tisch neben die Gottheiten, und Hades hatte Zeit, sich wieder zu sammeln, während goldene Flüssigkeit in zwei Kelche geschenkt wurde.
    Lina nickte zum Dank, trank, und ein seliges Lächeln legte sich auf ihr Gesicht.
    »Oh, das ist ja Ambrosia! Das ist so köstlich! Danke, dass du daran gedacht hast.«
    Gebannt beobachtete Hades diese Frau. Warum war sie so anders? Sie fand die Toten nicht abstoßend. Offenbar machte sie sich sehr viel aus Eurydike; bezeichnete sie sogar als ihre Freundin. Und die Dinge, die die meisten Unsterblichen für selbstverständlich hielten, wie Ambrosia und der Überfluss in der Götterwelt, versetzten sie in Entzücken, so als sei alles neu und interessant für sie. Sie war ein Rätsel, ein faszinierendes Rätsel, das zu lösen er sich immer stärker wünschte.
    »Wenn er dir so gut gefällt, muss ich daran denken, ihn öfter servieren zu lassen«, sagte Hades. Er hob ihr den Kelch entgegen.
    Mit Schmetterlingen im Bauch stieß Lina mit dem Gott an. Der künstliche, hölzerne Hades, der am Vorabend abrupt das Mahl verlassen hatte, schien verschwunden zu sein. Er war durch einen charmanten, mächtigen Gott ersetzt worden. Persephones Wangen wurden rot, ihr ganzer Körper wurde unglaublich warm. Hades’ magnetische dunkle Augen hypnotisierten sie. Ein wenig hilflos wandte sie den Blick ab, sah sich im Thronsaal um und gemahnte sich, das Atmen nicht zu vergessen.
    Das Licht der Lüster fing sich in dem silbernen Helm auf der anderen Seite von Hades. Er funkelte mit einem unheimlichen Glanz, der Lina die

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