Göttin des Frühlings
Lina in der Mitte der Wiese. Eine Weile sprach keiner von beiden. Dann hob er die Hand und schob ihr eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Ich habe noch niemals etwas so Anmutiges wie deinen Tanz gesehen«, sagte er.
Lina war auf einmal atemloser als zuvor bei der Musik.
»Du musst Durst haben«, sagte Hades.
Bis dahin hatte Lina nicht gemerkt, dass sie schwitzte und durstig war, doch es traf beides zu.
»Und wie.«
»Hier in der Nähe müsste eine Quelle sein.« Der Gott nahm ihre Hand und steuerte auf die andere Seite der Wiese zu. »Im Elysium ändert sich ständig alles, aber normalerweise finden sich immer dieselben Elemente wieder.«
»Das heißt, es ist so was wie eine veränderliche Phantasie?«, fragte Lina und fuhr mit der Hand durch den Klee, der an diesem Ende der Wiese kniehoch stand. Augenblicklich platzten weiße Blütenbüschel zwischen den Kleeblättern hervor und verströmten einen Duft, der nach Sommer und frisch gemähtem Rasen roch.
»Ja, ein bisschen schon.« Hades lächelte sie an. »Das Elysium besteht aus verschiedenen Bereichen, aber diese Teile können sich verschieben und verändern, je nach den Wünschen der Geister.«
»Verschiedene Bereiche? Soll das heißen, dass es einen Ort für Menschen gibt, die richtig, richtig gut waren, und einen für Leute, die meistens gut waren, und dann noch einen für die, die nur ganz durchschnittlich nett waren?«
Hades’ Lachen hallte über die Wiese. »Du hast wirklich so unerwartete Vorstellungen, Persephone! Nein, das Elysium ist in verschiedene Reiche unterteilt. Das eine ist für Krieger. Dieses hier« – er wies auf die Umgebung – »für Jungfrauen, die herumtollen können. Und es gibt noch verschiedene andere. In einem findet man nur königliche Häupter, in einem anderen nur Schafhirten.« Er grinste schief, und Lina fand, er sähe aus wie ein Zwölfjähriger. »Seltsamerweise möchten Schafhirten mit anderen nichts zu tun haben.«
»Wer hätte das gedacht?«
»Eben.«
»Sie können also nicht von einem Reich ins andere? Was ist, wenn ein Krieger einer Jungfrau den Hof machen will? Ich könnte mir vorstellen, dass selbst der passionierteste Krieger irgendwann keine Lust mehr hat, immer nur männliche Dinge zu tun.«
»Sie können wechseln, aber es ist ziemlich kompliziert.« Hades überlegte. »Aber vielleicht sollte es nicht so kompliziert sein. Vielleicht wissen sie gar nicht, was sie verpassen, weil sie so lange ohne ausgekommen sind.« Gedankenverloren schaute der Gott in die Ferne.
»Kannst du das Elysium ganz nach deinen Vorstellungen umgestalten?«, fragte Lina.
Hades sah sie wieder an. »Ja.«
»Dann lege doch die Wiese mit den tanzenden Jungfrauen direkt neben das Übungsfeld der Krieger. Der Rest kommt dann schon von selbst.«
Hades lachte laut auf. »Ich glaube, du hast recht.«
Sie betraten einen Kiefernwald, und nach einigem Suchen fand Hades einen schmalen Weg. Dem folgten sie, bis sie an einen Bach gelangten, der gurgelnd über glatte Steine plätscherte. Hades verließ den Pfad und führte Lina flussabwärts um eine Biegung, wo sich das Wasser in einem kleinen sandigen Becken sammelte, bevor es weiterfloss und geräuschvoll über einen felsigen Vorsprung sprudelte.
»Für dich, Göttin, nur das Beste zum Trinken und Speisen«, verkündete Hades mit einem verwegenen Lächeln.
»Auch wenn du’s nicht glaubst«, sagte Lina, eilte an den Rand der Mulde und bückte sich, »aber das Tanzen hat mich unglaublich durstig gemacht, und im Moment möchte ich lieber Wasser als Ambrosia trinken.«
Sie wölbte die Hand, schöpfte die klare Flüssigkeit heraus und trank. Das Wasser war so kalt, dass es ihr an den Zähnen wehtat. Glücklich seufzte Lina und trank noch eine Handvoll. Als sie fertig war, streifte sie ihre weichen Lederpantoffeln ab und ließ ihre Beine im eiskalten Teich baumeln. Hades lehnte sich gegen einen umgekippten Baumstamm. Der Wind raschelte in den Blättern über ihnen, umgab sie mit dem Geruch von Kiefern und Harz. Der mystische Himmel der Unterwelt verlieh allem ein verschleiertes Glühen. Eine rosarote Brille, dachte Lina verträumt. Das also war mit dem Ausdruck gemeint.
»Demeter hat mir erzählt, die Unterwelt sei ein magischer Ort, aber ich hätte niemals geglaubt, dass sie so viel Schönheit besitzt«, sagte Lina leise. »Wenn die anderen Götter wüssten, wie schön es hier unten ist, hättest du unablässig Besuch.«
Hades zuckte mit den Achseln und sah aus, als sei ihm
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