Goettin in Gummistiefeln
der Art.«
Ich starre ihn sekundenlang verständnislos an.
»Äh ... wovon reden Sie?«
»Sie haben‘s noch gar nicht gesehen?« Er wirkt überrascht. »Ich nehme an, das sind Sie?« Er dreht die Zeitung um, und als ich sie sehe, wird mir vor Schreck plötzlich ganz anders.
Da ist ein Bild von mir. In der Zeitung. Von mir.
Es ist mein offizielles Carter-Spink-Porträt. Ich habe ein schwarzes Kostüm an und die Haare straff zurückgebunden. Über dem Bild steht in fetten Buchstaben: ICH PUTZE LIEBER KLOS, ALS TEILHABER BEI CARTER SPINK ZU WERDEN.
Was zum Teufel soll das?
Mit zitternden Händen nehme ich dem Mann die Zeitung aus der Hand und überfliege den Text.
Sie sind die Herren des Universums, werden von allen beneidet: die Angestellten von Carter Spink, einer der renommiertesten Anwaltsfirmen des Landes. Dennoch hat gestern eine junge Frau den hochrangigen Posten als Seniorpartner ausgeschlagen. Sie begründete diesen Schritt damit, dass sie lieber als Haushälterin arbeiten wolle.
KEIN PRIVATLEBEN?
Fassungslos mussten die anderen Teilhaber zur Kenntnis nehmen, dass Topanwältin Samantha Sweeting das sechsstellige Angebot ablehnte. Sweeting, die bei Carter Spink auf einen Stundensatz von 500 Pfund kam, war vor wenigen Wochen fristlos entlassen worden. In der Zwischenzeit hatte sie entscheidend zur Aufdeckung eines firmeninternen Finanzskandals beigetragen. Als Entschädigung bot man ihr daraufhin eine Teilhaberschaft in der Kanzlei an, doch Sweeting lehnte mit der Begründung ab, der Arbeitsdruck sei ihr zu hoch. Unter diesen Bedingungen bliebe keinerlei Zeit für ein Privatleben.
»Ich habe mich daran gewöhnt, wieder wie ein normaler Mensch zu leben, Freizeit zu haben und das Leben zu genießen«, erklärte sie, als die Partner sie beknieten zu bleiben. Ein ehemaliger Carter-Spink-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht genannt haben will, bestätigte uns die brutalen Arbeitsbedingungen, die in der Rechtsanwaltsfirma herrschen. »Sie erwarten von dir, dass du ihnen deine Seele verkaufst«, erklärte er. »Ich war völlig ausgebrannt und habe deshalb gekündigt. Kein Wunder, dass Samantha eine körperliche Arbeit vorzieht. «
Eine Sprecherin von Carter Spink verteidigte die Praktiken der Firma. »Wir sind eine flexible, moderne Firma mit einem einfühlsamen Arbeitsethos. Wir würden uns gerne mit Samantha über ihre Ansichten unterhalten. Und ganz gewiss erwarten wir nicht, dass unsere Angestellten uns ihre Seele verkaufen.
SPURLOS VERSCHWUNDEN
Sie bestätigte, dass das Angebot an Ms. Sweeting nach wie vor offen stehe und Carter Spink das Gespräch mit Ms. Sweeting suche. Doch diese moderne Aschenputtel-Geschichte hat erneut eine überraschende Wendung genommen: Ms. Sweeting ist spurlos verschwunden. Nach Verlassen der Kanzlei wurde sie von niemandem mehr gesehen.
WO STECKT SIE?
Siehe Kommentar, Seite 34
Wie betäubt starre ich die Zeile an. Siehe Kommentar? Da steht noch mehr? Mit zitternden Händen blättere ich Seite 34 auf.
DER PREIS DES ERFOLGS - ZU HOCH?
Eine Topanwältin, die erst am Anfang ihrer Karriere stand, hat ein sechsstelliges Gehalt abgelehnt, um stattdessen die öde Arbeit einer Haushaltskraft zu verrichten. Was verrät uns dies über den Druck, unter dem die moderne Gesellschaft heutzutage steht? Sind die Karrierefrauen von heute überfordert? Ausgebrannt? Ist dies der Auftakt zu einem neuen Trend zurück zu Heim und Herd?
Eins ist sicher. Nur Samantha Sweeting kann diese Fragen beantworten.
Fassungslos starre ich auf die Zeitungsseite. Wie ist ...? Wer hat...? Wie?
Ein Blitz reißt mich aus meinen Gedanken. Erschrocken blicke ich auf und sehe, dass der Mann mit der Kamera auf mich zielt.
»Stop!«, rufe ich erschrocken und schlage die Hände vors Gesicht.
»Könnte ich ein Bild von Ihnen mit ´ner Klobürste in der Hand machen, Schätzchen?«, fragt er und richtet den Sucher auf mich aus. »Habe im Pub den Tipp gekriegt, dass Sie hier sind. War ´n Superknüller.« Der Fotoapparat blitzt erneut, und ich zucke zusammen.
»Nein! Sie ... Sie Fehler gemacht.« Ich drücke ihm die vollkommen zerzauste Zeitung in die Hand. »Das ... daas biiin iesch nischt. Mi nombre iest Martine. Isch nischt Anwalt.«
Der Journalist wirft mir einen misstrauischen Blick zu und studiert dann nochmals das Zeitungsfoto. Ich kann sehen, wie ihm Zweifel kommen. Ich sehe ja auch wirklich ganz anders aus als früher mit meinen dunkelblonden Haaren und allem.
»Das ist doch kein französischer
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