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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zettel von meiner neuen Putzfrau, noch dazu in Großbuchstaben:
    LIEBE SAMANTHA,
    1.   DIESE LEBENSMITTEL SIND ALLE ABGELAUFEN. SOLL ICH SIE WEGWERFEN?
    2.   HABEN SIE IRGENDWELCHE PUTZMITTEL - EINEN BADREINIGER ZUM BEISPIEL? ICH KONNTE LEIDER NICHTS FINDEN.
    3.   SAMMELN SIE ZUFÄLLIG ESSENSKARTONS VOM CHINESEN? HABE SIE SICHERHEITSHALBER NICHT WEGGEWORFEN.
    SCHÖNE GRÜSSE, IHRE PUTZFRAU JOANNE
    Ich kann sehen, wie Mrs. Farley den Zettel liest, und höre sie förmlich im Geiste »tz, tz« sagen. Letzten Monat hat sie mir einen Vortrag über die Vorzüge von irgendwelchen »Brätern« gehalten, mit denen man das Essen stundenlang weich kochen könne. Man müsse morgens bloß das Hühnchen mitsamt dem Gemüse reinwerfen, in den Herd schieben und abends habe man dann eine fertige Mahlzeit. Und ein paar Karotten schnippeln dauere doch sicher nicht lange, oder?
    Das fragt sie mich?!
    »Tja ... noch mal, danke.« Ich nehme ihr hastig die Blusen ab, werfe sie auf den Herd und drängle sie schleunigst aus meiner Wohnung, kann aber leider nicht verhindern, dass ihr Blick beim Hinausgehen wie eine Radarantenne herumschweift. »Echt nett von Ihnen.«
    »Ach, das macht mir doch nichts aus!« Sie betrachtet mich vorwurfsvoll. »Ich will mich ja nicht einmischen, meine Liebe, aber Baumwollblusen lassen sich problemlos in der Waschmaschine waschen, wissen Sie? Das Geld für die Reinigung könnten Sie sich wirklich sparen.«
    Ich starre sie verständnislos an. Wenn ich sie in der Waschmaschine waschen würde, müsste ich sie ja auch trocknen. Und bügeln.
    »Außerdem ist mir ganz zufällig aufgefallen, dass an einer Bluse ein Knopf fehlt«, fügt sie hinzu. »An der weiß-rosa gestreiften.«
    »Oh, ach so«, sage ich. »Nun, das macht nichts. Ich werde sie nochmals in der Reinigung vorbeibringen. Das kostet nichts extra.«
    »Aber Sie können doch wohl selbst einen Knopf annähen, meine Liebe!«, sagt Mrs. Farley schockiert. »Das geht blitzschnell. Sie haben doch sicher einen Ersatzknopf in Ihrem Nähkästchen?«
    Mein was?
    »Ich habe kein Nähkästchen«, entgegne ich, so höflich wie möglich. »Ich nähe nicht.«
    »Aber Sie können doch sicher schnell einen Knopf annähen!«, ruft sie erregt.
    »Nein«, sage ich, ein wenig gereizt über ihre schockierte Miene. »Aber das macht wirklich nichts. Ich bringe die Bluse einfach zurück.«
    Mrs. Farley ist entsetzt. »Sie können nicht mal einen Knopf annähen? Hat Ihnen das Ihre Mutter denn nicht beigebracht?«
    Bei diesem Gedanken muss ich ein Prusten unterdrücken. Mutter und einen Knopf annähen! »Ah, nein. Hat sie nicht.«
    »Also zu meiner Zeit«, hebt Mrs. Farley kopfschüttelnd an, »hat man wohlerzogenen Mädchen beigebracht, wie man Knöpfe annäht, Socken stopft und Kragen umsäumt.«
    Für mich ist das reines Chinesisch. Kragen umsäumen?
    »Nun, zu meiner Zeit leider nicht«, entgegne ich höflich. »Zu meiner Zeit hat man was gelernt, hat zugesehen, dass man sein Studium schafft und es beruflich zu was bringt. Man hat gelernt, eine eigene Meinung zu haben. Sein Gehirn zu benutzen«, komme ich nicht umhin, boshaft hinzuzufügen.
    Mrs. Farley mustert mich einen Augenblick wortlos.
    »Eine Schande«, sagt sie dann und tätschelt mir mitleidig den Arm.
    Ich versuche, ruhig zu bleiben, aber plötzlich wird mir alles zu viel: die Anspannung des Tages, das stundenlange Arbeiten, die geplatzte Geburtstagsfeier. Ich bin hundemüde und komme um vor Hunger ... und jetzt wirft mir diese Alte vor, dass ich keinen Knopf annähen kann?
    »Es ist keine Schande«, presse ich hervor.
    »Schon gut, meine Liebe«, sagt Mrs. Farley beschwichtigend und geht zu ihrer Wohnung hinüber.
    Irgendwie erbost mich das noch mehr.
    »Wieso ist es eine Schande?«, frage ich herausfordernd und trete auf den Flur hinaus. »Wieso, bitte schön? Gut, ich kann vielleicht keinen Knopf annähen, dafür aber einen Finanzierungsvertrag ausarbeiten, bei dem meine Klienten dreißig Millionen Pfund sparen! Das kann ich.«
    Mrs. Farley mustert mich von ihrer Tür aus. Ihre Miene ist, falls überhaupt, noch mitleidiger geworden. »Es ist eine Schande«, wiederholt sie, als hätte sie überhaupt nicht gehört, was ich gerade gesagt habe. »Gute Nacht, meine Liebe.« Sie schließt leise ihre Wohnungstür, und ich stoße einen Wutschrei aus.
    »Schon mal was von Emanzipation gehört? Nicht?!«, schreie ich ihr hinterher.
    Stille.
    Zornig ziehe ich mich in meine eigene Wohnung zurück und knalle die Tür zu.

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