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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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einer Akte, vielleicht, einem Vertrag, einer Tasse Kaffee.
    Ein Fehler. Ein einziger lausiger Fehler. Der einzige Fehler, den ich mir je geleistet habe. Könnte ich nicht einfach aufwachen und feststellen, dass alles nur ein böser Traum war? Dass es jemand anders passiert ist, wie in einem Film? Dass ich die Geschichte am Abend zuvor im Pub gehört habe, heilfroh darüber, dass das Schicksal nicht so grausam zu mir ist ...
    Aber es ist ausgerechnet mir passiert. Ich bin die Dumme. Ich und sonst keiner. Damit wäre meine Karriere endgültig gestorben. Aus und vorbei. Bei Carter Spink hat es so etwas das letzte Mal 1983 gegeben. Ted Stephens hieß der Mann, der zehn Millionen in den Sand setzte. Er war auf der Stelle entlassen worden.
    Und ich habe unseren Klienten fünfmal so viel gekostet.
    Unwillkürlich fange ich an zu keuchen, mir wird schwindlig, ich habe das Gefühl, gleich ersticken zu müssen. Höchstwahrscheinlich eine Panikattacke. Ich lasse mich auf die nächste Bank sinken und warte, bis es mir wieder besser geht.
    Okay, es geht mir nicht besser. Es geht mir noch schlechter.
    Plötzlich beginnt mein Handy zu vibrieren, und ich mache einen erschrockenen Satz. Ich ziehe es aus der Tasche und schaue aufs Display. Es ist Guy.
    Ich kann jetzt nicht mit ihm reden. Ich kann mit niemandem reden. Jetzt nicht.
    Kurz darauf teilt mir das Handy mit, dass eine Nachricht hinterlassen wurde. Ich hebe das Telefon ans Ohr und drücke die »1« zum Abhören.
    »Samantha!«, tönt mir Guys fröhliche Stimme entgegen. »Wo steckst du? Wir warten hier alle mit dem Champagner, um auf unsere frischgebackene Seniorpartnerin anzustoßen!«
    Die Partnerschaft. Ich könnte heulen. Aber ... nein. Dafür ist die Sache ... zu schlimm. Ich stecke das Handy wieder weg und rapple mich auf die Beine. Dann gehe ich los, einfach los, schneller, immer schneller, an den Passanten vorbei, ohne auf die seltsamen Blicke zu achten, die man mir zuwirft. In meinem Kopf hämmert es wie verrückt. Ich habe keine Ahnung, wo ich hingehe. Nur nicht stehen bleiben.
    Es kommt mir vor, als wäre ich schon stundenlang unterwegs. Vollkommen betäubt, wie blind stolpere ich dahin. Die Sonne brennt unbarmherzig auf mich nieder, die Gehsteige sind staubig, und mein Schädel brummt immer noch. Irgendwann vibriert mein Handy, aber ich achte nicht darauf.
    Als mir die Beine schließlich den Dienst versagen, verlangsame ich meine Schritte und bleibe endlich ganz stehen. Mein Mund ist staubtrocken, ich brauche unbedingt einen Schluck Wasser. Ich blicke auf, versuche mich zu orientieren. Irgendwie scheine ich ausgerechnet am Bahnhof Paddington gelandet zu sein.
    Wie ein Roboter lenke ich meine Schritte zum Eingang und gehe hinein. Drinnen ist es laut und voller Leute. Reisende drängeln sich an mir vorbei. Die Leuchtstoffröhren blenden, die Klimaanlage lässt mich frösteln, und die Lautsprecheransage dröhnt in meinen Ohren. Als ich gerade zu einem der Kioske gehen will, um mir eine Flasche Wasser zu kaufen, vibriert erneut mein Handy. Ich hole es hervor und schaue aufs Display. Fünfzehn Anrufe und eine weitere Nachricht von Guy, die er vor zwanzig Minuten hinterlassen hat.
    Zögernd, das Herz klopft mir bis zum Hals, drücke ich auf die »1«.
    »Herrgott noch mal, Samantha, was hast du bloß angestellt?«
    Jetzt klingt er gar nicht mehr freundlich, nur noch genervt. Eiskalte Angst packt mich.
    »Wir wissen Bescheid«, fährt er fort. »Verstehst du? Wir wissen das mit der Third Union. Charles Conway hat sich gemeldet. Und dann hat Ketterman die Unterlagen auf deinem Schreibtisch gefunden. Du musst sofort herkommen. Sofort. Ruf mich an.«
    Ich kann mich nicht rühren. Ich bin wie gelähmt vor Angst.
    Sie wissen es. Alle wissen es.
    Wieder tauchen schwarze Flecken vor meinen Augen auf. Mir wird speiübel. Ganz Carter Spink weiß Bescheid. Alle wissen, dass ich eine Riesenscheiße gebaut habe. Das wird sich in Windeseile herumsprechen, per Telefon, per E-Mail, tuschel-tuschel, habt ihr schon gehört? Mein Gooott ...
    Plötzlich drängt sich aus den Augenwinkeln eine Bewegung in mein Bewusstsein. Ein bekanntes Gesicht. Ich drehe den Kopf und spähe zu dem Mann hinüber. Wer ist das noch mal? Ein Schrecken durchzuckt mich.
    Greg Parker. Er gehört zu den Seniorpartnern. Teurer Anzug, das Handy am Ohr, die Stirn besorgt gerunzelt, durchmesst er mit langen Schritten die Bahnhofshalle.
    »Und wo ist sie jetzt?«, höre ich ihn sagen.
    Neuerliche Panik durchzuckt mich

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