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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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fotografisches Gedächtnis. Etwas noch mal zu lesen ist irgendwie hirnrissig.
    Ich schaue hinaus in den Garten, wo ein Eichhörnchen auf einer Steinsäule sitzt und sich mit blanken Augen umsieht.
    Vielleicht sollte ich rausgehen. Ein bisschen den Garten genießen, den frischen Morgen, das taufeuchte Gras. Gute Idee.
    Das Problem mit taufeuchtem Gras ist, dass es taufeucht ist. Während ich wie ein Reiher über den Rasen stakse, wünschte ich bereits, nicht ausgerechnet offene Sandalen angezogen zu haben. Oder mit dem Morgenspaziergang noch ein bisschen gewartet zu haben.
    Der Garten ist viel größer, als ich gedacht hatte. Ich schreite über den weitläufigen Rasen und nähere mich einer niedrigen Hecke, die die Grenze zu bilden scheint - und stelle fest, dass es dahinter noch weitergeht, da ist eine Wiese voller Obstbäume und zu meiner Linken eine Art ummauertes Gärtchen.
    Dieses Gärtchen ist atemberaubend. Sogar ich kann das sehen. Blumen in leuchtenden Farben, jedes Mäuerchen mit einer hübschen Kletterpflanze oder Ranke überwachsen. Als ich mich der Wiese nähere, sehe ich, dass an manchen der Bäume kleine goldene Birnen hängen. Ich muss zugeben, dass ich so etwas zum ersten Mal sehe.
    Ich wandere durch den Obsthain zu einer Art Acker, einem großen Beet aus brauner Erde, in dem, in ordentlichen Reihen, irgendwelche Pflanzen wachsen. Das muss das Gemüse sein. Misstrauisch tippe ich eine der Pflanzen mit der Fußspitze an. Könnte Kohl sein. Oder auch Salat. Oder vielleicht sind‘s die Blätter von etwas, das unter der Erde wächst.
    Um ehrlich zu sein, es könnte ein Alien sein. Ich habe keinen blassen Schimmer.
    Ich wandere noch ein Weilchen herum und lasse mich dann auf einem bemoosten Bänkchen nieder. Mein Blick fällt auf einen nahe gelegenen Busch, an dem kleine weiße Blümchen blühen. Hm. Hübsch.
    Und jetzt? Was macht man jetzt hier?
    Ich habe das Gefühl, ich sollte etwas zum Lesen haben. Oder jemanden anrufen. Es juckt mir förmlich in den Fingern. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Erst acht Uhr sechzehn. Mein Gott.
    Nein, so schnell werfe ich die Flinte nicht ins Korn. Jetzt wird erst mal hier sitzen geblieben. Und genossen. Ich lehne mich zurück, mache es mir auf dem Bänkchen bequem, beobachte müßig ein Vögelchen, das zu meinen Füßen herumpickt.
    Ich werfe erneut einen Blick auf die Uhr. Acht Uhr siebzehn.
    Es hat keinen Zweck, es geht einfach nicht.
    Ich kann nicht einfach den ganzen Tag nichts tun. Das treibt mich in den Wahnsinn. Ich werde gehen und mir noch eine Zeitung im Dorf kaufen. Vielleicht haben sie ja Krieg und Frieden, das kaufe ich dann auch noch. Ich stehe auf und will gerade forschen Schritts über den Rasen zum Haus zurückgehen, als es plötzlich in meiner Tasche piepst. Ich erstarre.
    Mein Handy. Jemand hat mir eine SMS geschickt. Am Samstag, in aller Herrgottsfrühe. Nervös hole ich mein Handy aus der Tasche und starre es an. Ich habe schon seit mehr als einem Tag keinen Kontakt mehr zur Außenwelt gehabt.
    Ich weiß, dass ich einige SMS erhalten habe, aber ich habe keine davon gelesen. Auch auf meiner Mailbox ist was drauf -nichts davon habe ich abgehört. Ich will es gar nicht wissen. Ich verdränge das alles.
    Unschlüssig spiele ich mit meinem Handy, sage mir, dass ich es besser gleich wieder wegstecke. Aber jetzt bin ich neugierig geworden. Jemand hat mir vor ein paar Sekunden eine Textmail geschickt. Jemand hat irgendwo ein Handy in der Hand gehalten und eine Nachricht an mich eingetippt. Ich sehe Guy vor mir, in sportlicher Hose und Polohemd. Wie er an seinem Schreibtisch sitzt und stirnrunzelnd eine Nachricht eingibt.
    Sich entschuldigt.
    Mich über den neuesten Stand der Dinge informiert. Irgendeine neue Entwicklung, die gestern noch gar nicht abzusehen gewesen war -
    Ich kann nicht anders. Gegen meinen Willen keimt Hoffnung in mir auf. Ich fühle, während ich hier auf dem frühmorgendlichen Rasen stehe, wie mein mentales Ich aus diesem Garten fort und nach London, in die Kanzlei, zurückgezerrt wird. Ein ganzer Tag ist dort ohne mich vergangen. In vierundzwanzig Stunden kann eine Menge passieren. Die Dinge können sich ändern. Alles könnte sich irgendwie zum Guten gewendet haben.
    Oder ... zum Schlechten. Noch schlechteren. Man will mich verklagen. Wegen grober Fahrlässigkeit.
    Ich kann die Anspannung nicht länger ertragen. Ich habe mein Handy fest umklammert. Ich muss es wissen. Gut oder schlecht. Ich klappe es auf und hole mir die Nachricht

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