Goettin in Gummistiefeln
aufs Display. Sie stammt von einer Nummer, die ich nicht mal kenne.
Wer ist das? Wer um alles in der Welt schickt mir eine SMS?
Mit einem flauen Gefühl im Magen drücke ich auf die Okay-Taste, um die Nachricht zu lesen.
hi samantha, nathaniel hier
Nathaniel?
Nathaniel?
Ich bin so erleichtert, dass ich laut auflache. Natürlich! Ich habe ihm ja gestern meine Handynummer gegeben, für seine Mutter. Ich lese weiter.
wenn du willst, kann mum dir heute was zeigen, nat.
Kochunterricht. Das wäre toll! Genau das Richtige, um einen freien Tag auszufüllen. Rasch schreibe ich zurück:
liebend gerne, sam.
Mit einem glücklichen Lächeln schicke ich die Nachricht ab. Das macht Spaß. Wenig später piept mein Handy erneut.
welche uhrzeit? ist dir elf zu früh? nat.
Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Elf, das wäre ja erst in zweieinhalb Stunden.
Zweieinhalb Stunden rumhängen, Zeitung lesen und Trish und Eddie aus dem Weg gehen. Das halte ich nicht aus. Ich drücke auf Reply.
wie wär‘s mit 10? sam.
Um fünf vor zehn stehe ich in der Eingangshalle bereit. Anscheinend ist das Haus von Nathaniels Mutter nicht so leicht zu finden, daher haben wir ausgemacht, dass er mich hier abholt und wir dann zu Fuß dorthin gehen. Ich blicke prüfend in den Garderobenspiegel und zucke unwillkürlich zusammen. Diese blöde Strähne. Ich versuche mein Haar nach hinten zu kämmen, dann nach vorne. Vergebens. Das Grünblond lässt sich einfach nicht verstecken. Vielleicht könnte ich ja die Hand lässig an die Stirn halten, als würde ich nachdenken. Ich probiere ein paar Posen vor dem Spiegel.
»Ist mit deinem Kopf alles in Ordnung?«
Erschrocken fahre ich herum und sehe Nathaniel in der offenen Tür stehen, in Karohemd und Jeans.
»Ah ... ja«, sage ich, die Hand immer noch am Kopf. »Ich wollte bloß ...«
Ach, was soll‘s. Ich lasse die Hand sinken, und Nathaniel starrt die Strähne einen Moment lang an.
»Sieht nett aus«, sagt er schließlich. »Wie ein Dachs.«
»Ein Dachs!«, entgegne ich empört. »Ich sehe doch nicht wie ein Dachs aus.«
Rasch werfe ich noch einmal einen Blick in den Spiegel. Nein, bestimmt nicht.
»Dachse sind wunderschöne Tiere«, sagt Nathaniel mit einem Achselzucken. »Ich würde lieber wie ein Dachs aussehen als wie ein Hermelin.«
Moment mal. Seit wann hatte ich die Wahl zwischen Dachs und Hermelin? Ich weiß nicht mal, wie das Gespräch diese Richtung nehmen konnte.
»Ich denke, wir sollten besser gehen«, erkläre ich würdevoll. Ich nehme meine Handtasche und werfe beim Hinausgehen einen letzten Blick in den Spiegel.
Na gut, dann sehe ich eben ein bisschen wie ein Dachs aus.
Draußen wird es bereits warm, und ich schnuppere interessiert, während wir über die kiesbestreute Auffahrt zum Tor gehen. Da liegt so ein wundervoller, blumiger Duft in der Luft, der mir irgendwie bekannt vorkommt ...
»Geißblatt und Jasmin!«, rufe ich aus. Ich habe zu Hause das Jo-Malone-Badeöl, das genau so riecht.
»Geißblatt wächst da an der Mauer.« Nat deutet auf einen Busch mit unzähligen kleinen blassgelben Blüten. »Hab es vor einem Jahr gepflanzt.«
Interessiert schaue ich mir den Busch an. So sieht also Geißblatt aus?
»Jasmin wächst hier allerdings nirgends«, sagt er neugierig. »Kannst du ihn denn riechen?«
»Ah ...« Ich breite unschlüssig die Hände aus. »Wahrscheinlich nicht.«
Ich glaube, das Badeöl erwähne ich im Moment besser nicht. Als wir durchs Tor treten, wird mir klar, dass dies das erste Mal ist, dass ich das Grundstück verlasse - abgesehen von der Einkaufstour gestern mit Trish, doch da war ich zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihre Celine-Dion-CD herauszukramen, und hatte kaum auf die Umgebung geachtet. Nathaniel spaziert ruhig die Straße entlang - während ich mit offenem Mund stehen bleibe. Atemberaubend. Dieses Dörfchen ist einfach atemberaubend.
Ich hatte ja keine Ahnung.
Mein Blick schweift über die honigfarbenen alten Steincottages mit ihren steilen Dächern; über das kleine Flüsschen, von schattigen Weiden gesäumt. Weiter vorne ist das Pub, das ich bei meiner Ankunft gesehen habe, mit den üppigen Blumenampeln. In der Ferne erklingt Hufgeklapper. Nichts stört. Alles ist so harmonisch hier.
»Samantha?«
Nathaniel hat endlich bemerkt, dass ich zurückgeblieben bin.
»Tut mir Leid.« Hastig eile ich ihm nach. »Es ist so wunderschön hier! Das wusste ich ja gar nicht!«
»Ja, ganz hübsch.« Ich höre einen Unterton von Stolz in seiner
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