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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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durchzulassen. Erstaunt schaue ich zu, wie er einen schweren Schlüsselbund hervorzaubert und sich dann zu mir umschaut.
    »Komm«, fordert er mich grinsend auf, »wird Zeit, hier aufzumachen.«
    Nathaniel gehört ein Pub?
    »Dir gehört das Pub?«, frage ich ungläubig, nachdem sich der erste Andrang ein wenig gelegt hat.
    Ungläubig habe ich zugesehen, wie Nathaniel eine Viertelstunde lang Pints gezapft, mit der Kundschaft gescherzt, seinem Barpersonal Anweisungen gegeben und insgesamt dafür gesorgt hat, dass jeder happy ist. Jetzt, wo sich die anfängliche Betriebsamkeit ein wenig gelegt hat, ist er zu mir rübergekommen. Ich sitze auf einem Hocker in einer Ecke der Bar, vor mir ein Glas Wein.
    »Drei Pubs«, korrigiert er mich. »Aber nicht nur ich. Es ist ein Familienbetrieb. Wir besitzen das Bell, das Swan drüben in Bingley und das Two Foxes.«
    »Wow. Aber ... sieh nur, wie viel hier los ist!« Ich blicke mich im Pub um. Jeder Stuhl scheint besetzt zu sein, lauter fröhliche Leute, selbst hinten im winzigen Biergärtchen und an den Tischen, die vor dem Pub stehen. Der Lärm, das Stimmengewirr sind enorm. »Wie kannst du das machen und auch noch Gärtner sein?«
    »An sich bin ich Gärtner«, erklärt er, senkt den Blick und rückt eine Tischmatte gerade. »Das hier ... ist das Geschäft.«
    Diesen Ton habe ich schon einmal gehört. Als hätte ich einen wunden Punkt berührt. Ich wende betreten den Blick ab - und fasse ein Bild ins Auge, das über der Bar hängt, das Bild eines Mannes im besten Alter. Er hat Nathaniels kräftiges Kinn und seine blauen Augen. Auch die Lachfältchen sind dieselben.
    »Ist das dein Vater?«, frage ich behutsam.
    »Ja, er war das Herz und die Seele dieses Pubs.« Ein sanfter Ausdruck tritt in Nathaniels Augen. »Er wurde von allen hier geliebt.« Er nimmt einen kräftigen Schluck Bier und setzt sein Glas ab. »Aber pass auf, wir müssen nicht hier bleiben. Wir können auch woanders hingehen, irgendwas Feineres ...«
    Ich blicke mich in dem lärmenden Pub um. Musik übertönt das Stimmengewirr und das Gelächter. Ein paar Stammkunden begrüßen einander mit gut gemeinten Beleidigungen. Ein ältliches amerikanisches Touristenpärchen mit Stratford-T-Shirts lässt sich von einem rothaarigen Barmann mit fröhlich blitzenden Augen über die örtlichen Biersorten aufklären. Am anderen Ende des Raums hat ein Dartspiel begonnen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt eine so entspannte, freundliche Atmosphäre erlebt habe.
    »Nein, lass uns hier bleiben. Und ich könnte ja mithelfen!« Ich rutsche von meinem Hocker und eile hinter die Bar.
    »Hast du überhaupt schon mal ein Pint gezapft?« Nathaniel geht mir amüsiert nach.
    »Nein«, sage ich, nehme ein Glas zur Hand und halte es unter den Zapfhahn. »Aber das kann ja nicht so schwer sein.«
    »Also gut.« Nathaniel kommt hinter die Bar. »Man muss das Glas ein bisschen schräg halten, so. Und jetzt zieh am Hebel!«
    Ich reiße am Hebel, und der Schaum spritzt nur so in alle Richtungen. »Liebe Güte!«
    »Langsam ...« Er tritt hinter mich und führt mich mit beiden Händen. »So ist‘s besser ...«
    Mmm. Wie nett. Er sagt irgendwas zu mir, aber ich kriege kein Wort mit. Ich bin wunschlos glücklich, jetzt, wo er mich mit seinen starken Armen umfangen hält. Vielleicht sollte ich ja so tun, als wäre ich ein bisschen schwer von Begriff, damit er es mir noch mal zeigen muss. Vielleicht können wir ja den ganzen Abend so dastehen.
    »Weißt du«, setze ich an und schaue mich zu ihm um. Doch ich stocke, weil ich schon wieder etwas gesehen habe. Da hängen ein paar Holzschilder an der Wand. Auf dem einen steht: »Wer schmutzige Stiefel anhat, muss draußen bleiben.« Auf einem anderen: »Bitte nicht in Arbeitskleidung.« Und auf einem Schild darunter, mit verblasstem Marker, die Worte: ANWÄLTE VERBOTEN.
    Wie betäubt starre ich das Schild an. Anwälte verboten?
    Habe ich richtig gelesen?
    »So, das wär‘s.« Nathaniel hebt das Glas hoch, randvoll mit einer schönen, bernsteinfarbenen Flüssigkeit. »Dein erstes Selbstgezapftes.«
    »Ah ... toll!« Ich zwinge mich, eine möglichst natürliche Pause einzulegen, dann deute ich auf das Schild. »Was ist das?«
    »Anwälte bediene ich nicht«, antwortet er kurz angebunden.
    »Nathaniel, schieb mal deinen Arsch hier rüber!«, ruft jemand vom anderen Ende der Bar und Nathaniel schnalzt ungeduldig mit der Zunge.
    »Bin gleich wieder da.« Er berührt meine Hand und geht. Kaum dass

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