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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bogenschützenverein war.
    Schließlich kündigt Nathaniel mit einem durchdringenden Läuten der Glocke die letzte Runde an, und eine gute Stunde später machen sich auch die letzten Nachzügler auf den Weg nach Hause. Jeder bleibt kurz an der Tür stehen, um sich mit einem Wort von Nathaniel zu verabschieden.
    »Bye.«
    »Bis dann, Nathaniel.«
    Ich beobachte das alles - jeder, bis auf die amerikanischen Touristen, hat sich auf die eine oder andere Weise von Nathaniel verabschiedet. Er muss ja wirklich jeden aus dieser Gegend kennen.
    »Wir machen das hier schon«, sagt Eamonn energisch, als Nathaniel anfängt, die Tische abzuräumen, fünf Gläser auf einmal nehmend. »Gib mir die. Du solltest den Rest des Abends genießen.«
    »Ja ... also gut.« Nathaniel gibt Eamonn einen kräftigen Schlag auf den Rücken. »Danke, alter Knabe.« Er schaut mich an. »Sollen wir gehen?«
    Beinahe widerwillig lasse ich mich von meinem Hocker rutschen. »Ein toller Abend, ehrlich«, sage ich zu Eamonn. »War wirklich nett, dich kennen zu lernen, Eamonn.«
    »Ganz meinerseits.« Er grinst. »Schick uns dann deine Rechnung.«
    Ich strahle übers ganze Gesicht. Es war wirklich ein richtig toller Abend: die großartige Atmosphäre im Pub; dass ich beim Dart gewonnen habe; dass ich was tun, dass ich wirklich mit anpacken konnte. Ich hatte noch nie im Leben einen so schönen Abend.
    In London hat mich nie jemand ins Pub ausgeführt - geschweige denn hinter die Bar genommen. An meinem ersten Abend mit Jacob sind wir ins Les Sylphides in Covent Garden gegangen, aber nach zwanzig Minuten erhielt er einen Anruf aus den Staaten und musste schnell weg. Ist nie wieder aufgetaucht. Am nächsten Tag meinte er, er hätte sich in einem Vertragsrechtsaspekt festgebissen und mich vollkommen vergessen.
    Und das Allerschlimmste war: Anstatt ihm eine runterzuhauen und »du Mistkerl!« zu sagen, habe ich ihn gefragt, welcher Aspekt.
    Nach der biergeschwängerten Wärme des Pubs ist die Sommernacht frisch und kühl. Wir schlendern langsam durchs Dorf, und ich höre das Gelächter heimkehrender Pubbesucher, dazu das Anspringen eines Automotors. Es gibt keine Straßenbeleuchtung, nur die volle, runde Scheibe des Mondes über uns und das Licht, das hinter den zugezogenen Gardinen der Cottages hervorscheint.
    »Hat‘s dir gefallen?«, fragt Nathaniel ängstlich. »Ich hatte wirklich nicht vor, den ganzen Abend dort mit dir zu verbringen.«
    »Es hat mir wirklich, ehrlich Spaß gemacht!«, sage ich begeistert. »Ein tolles Pub! Und wie freundlich alle sind! Kaum zu glauben. Und alle kennen dich! Und die Leute mögen einander. Das ist nicht zu übersehen.«
    »Woran sieht man das?«, fragt Nathaniel amüsiert.
    »Naja, das Schulterklopfen und Auf-den-Rücken-Hauen«, erkläre ich. »Ich kann mir gut vorstellen, dass sie einem jederzeit aus der Patsche helfen würden. Hier herrscht so eine angenehm freundliche Atmosphäre.«
    Nathaniel muss ein Lachen unterdrücken. »Ja, wir haben letztes Jahr auch den Preis für das freundlichste Dorf gekriegt.«
    »Du hast gut lachen«, entgegne ich. »In London ist keiner so. Wenn man da auf der Straße tot umfällt, kriegt man höchstens noch einen Tritt, damit der Gehsteig wieder frei wird. Vorher werden einem aber noch Ausweis und Brieftasche geklaut. Das würde hier nicht passieren, oder?«
    »Nein, das nicht.« Nathaniel überlegt. »Wenn man hier stirbt, versammelt sich das ganze Dorf um dein Bett und stimmt die Totenklage an.«
    Ich muss schmunzeln. »Wusste ich‘s doch. Und werden auch Blumen gestreut?«
    »Klar, ohne Blumen geht‘s nicht.« Er nickt. »Und natürlich die zeremoniellen Maispuppen.«
    Wir gehen ein Weilchen schweigend dahin. Ein kleines Tier huscht vor uns über die Straße und sieht uns kurz aus gelben Lampenaugen an, bevor es in der Hecke verschwindet.
    »Und wie geht diese Totenklage?«, frage ich.
    »Also, die geht etwa so.« Nathaniel räuspert sich und hebt dann mit tiefer, klagender Stimme an: »O nein. Er ist von uns gegangen.«
    Ich muss mächtig an mich halten, um nicht in ein heftiges Kichern auszubrechen; doch irgendwie gelingt es mir, ernst zu bleiben.
    »Und wenn‘s nun eine Frau ist?«
    »Interessanter Hinweis. Dann singen wir ein anderes Lied.« Er holt tief Luft und singt dann mit derselben tiefen, tonlosen Stimme: »O nein. Sie ist von uns gegangen.«
    Ich muss mich zusammenreißen, um nicht loszuprusten. »Also, in London haben wir keine Totenklagen«, sage ich. »Wir schauen

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