Goettin in Gummistiefeln
ist bereits die Treppe raufgelaufen. Kurz darauf taucht sie mit einem Schmuckkästchen wieder auf.
»Also. Was Sie brauchen, ist ein bisschen mehr Glitzer.« Sie holt eine Strassspange heraus, ein Seepferdchen. »Das ist aus Monte Carlo!«
»Ah ... hübsch!« Ich beäuge das besagte Stück voller Grauen. Bevor ich Trish davon abhalten kann, hat sie meine Haare auf einer Seite zurückgestrichen und mir die Geschmacklosigkeit angeklemmt. Sie mustert mich prüfend. »Nein ... ich glaube Sie brauchen was Größeres. Hier.« Sie fischt einen fetten, juwelenbesetzten Käfer aus dem Kästchen und klemmt ihn mir in die Haare. »Na bitte! Sehen Sie, wie die Smaragde Ihre Augen hervorheben?«
Ich blicke in den Spiegel, vollkommen sprachlos. Ich kann doch nicht mit einem fetten Glitzerkäfer auf dem Kopf unter die Menschheit treten!
»Und das hier wäre was Glamouröses!« Jetzt befestigt sie eine dicke Goldkette um meine Hüften. »Warten Sie, ich mache Ihnen noch rasch die Anhänger dran ...«
Anhänger?
»Mrs. Geiger ...«, setze ich verlegen an, doch in diesem Moment taucht Eddie aus seinem Studierzimmer auf.
»Ich habe gerade das Angebot für das Badezimmer bekommen«, sagt er zu Trish.
»Ist dieser Glitzerelefant nicht entzückend?«, sagt Trish und befestigt ihn an meinem Gürtel. »Und dieser Frosch!«
»Bitte«, stammle ich verzweifelt. »Ich glaube nicht, dass ich Elefanten brauche oder -
»Siebentausend«, unterbricht mich Eddie. »Klingt vernünftig. Ohne Mehrwertsteuer natürlich.«
»Na und wie viel ist es mit Mehrwertsteuer?«, sagt Trish, in ihrem Schmuckkästchen wühlend. »Wo steckt bloß dieses süße Äffchen?«
Ich komme mir vor wie ein Weihnachtsbaum. Sie hängt mehr und mehr von diesen funkelnden Ungetümen an die Kette, gar nicht zu reden von dem Käfer auf meinem Kopf. Und Nathaniel wird jeden Moment hier sein ... und mich sehen ...
»Was weiß ich!«, antwortet Eddie ungehalten. »Wie viel sind siebzehneinhalb Prozent von siebentausend?«
»Eintausendzweihundertfünfundzwanzig«, antworte ich abwesend.
Verblüffte Stille.
Shit. Das war ein Fehler.
Ich blicke auf und sehe, dass Trish und Eddie mich mit offenen Mündern anglotzen.
»So ungefähr.« Ich lache verlegen. »Bloß so geraten. Also ... haben Sie noch mehr von diesen Anhängern?«
Keiner von beiden schenkt mir auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Eddies Schweinsäuglein kleben auf dem Blatt, das er in der Hand hält. Langsam, wie in Trance, blickt er auf.
»Sie hat Recht«, stößt er erstickt hervor. »Sie hat verdammt noch mal Recht! Die Summe stimmt genau. Hier steht‘s!«
»Sie hat Recht!« Trish schnappt hörbar nach Luft. »Aber wie ...«
»Du hast es selbst gesehen.« Eddies Stimme endet in einem fassungslosen Quieken. »Sie hat‘s im Kopf ausgerechnet!«
Beide fahren herum und glotzen mich an.
»Ist sie autistisch?« Trish scheint sich gar nicht mehr einzukriegen.
Ach, du liebe Güte! Dieser blöde Film! Rain Man hat ganz schön was angerichtet, wenn Sie mich fragen.
»Ich bin nicht autistisch!«, sage ich. »Ich ... ich kann einfach nur gut mit Zahlen, das ist alles. Ist nichts Besonderes ...«
Zu meiner größten Erleichterung klingelt es in diesem Moment an der Haustür, und ich gehe rasch hin, um zu öffnen. Es ist Nathaniel, etwas feiner, in einer dunklen Jeans und einem grünen Hemd.
»Hallo«, stoße ich hervor. »Komm, lass uns gehen.«
»Moment!« Eddie vertritt mir den Weg. »Junge Dame, Sie sind weit klüger, als Ihnen bewusst ist.«
O nein.
»Was ist los?«, fragt Nathaniel.
»Sie ist ein Mathematikgenie!«, stößt Trish erregt hervor. »Und wir haben es entdeckt! Wie außergewöhnlich!«
Ich werfe Nathaniel einen gequälten Blick zu, der ihm signalisieren soll, dass sie Unsinn reden.
»Was haben Sie eigentlich für eine Schulbildung, Samantha?«, will Eddie wissen. »Abgesehen von der Kochschule.«
O Gott. Was habe ich in dem Vorstellungsgespräch eigentlich gesagt? Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern.
»Ich ... äh ... hier und da.« Ich breite vage die Hände aus. »Sie wissen schon ...«
»Die heutigen Schulen!« Trish saugt heftig an ihrer Zigarette. »Dieser Tony Blair gehört erschossen.«
»Samantha«, verkündet Eddie in selbstgerechtem Ton, »ich werde Ihre Ausbildung in die Hand nehmen. Und wenn Sie bereit sind, sich wirklich reinzuknien - ich meine wirklich reinknien —, warum sollten Sie dann nicht noch den einen oder anderen Abschluss schaffen?
Weitere Kostenlose Bücher