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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kopf zu machen.
    Oder irgendwas dazwischen.
    Oder irgendeine andere Möglichkeit, an die ich überhaupt noch nicht gedacht habe. Oder ...
    Nein, ich glaube, das wär‘s. Trotzdem. Allein dran zu denken macht mich ganz kirre.
    Am nächsten Tag wanke ich gegen neun im Morgenmantel die Treppe runter und sehe Trish und Eddie in der Halle stehen, schick herausgeputzt. Eddie trägt einen dunkelblauen Blazer mit glänzenden Messingknöpfen und Trish ein steifes weißes Seidenkostüm mit einem Ansteckbukett aus den größten künstlichen Rosen, die ich je gesehen habe. Außerdem scheint sie ein winzig kleines Problem beim Zuknöpfen ihres Blazers zu haben. Gerade zwingt sie den letzten Knopf ins Loch und stellt sich schwer atmend vor den Spiegel.
    Jetzt scheint sie die Arme nicht mehr bewegen zu können.
    »Na, wie findest du‘s?«, erkundigt sie sich keuchend bei Eddie.
    »Sehr hübsch«, antwortet er zerstreut. Er studiert stirnrunzelnd eine Straßenkarte von 1994. »Ist das jetzt die A347 oder die A367?«
    »Ah ... ich glaube, es sieht besser aus, wenn Sie den Blazer offen lassen«, wage ich zu bemerken. »Irgendwie ... legerer.«
    Trish wirft mir einen Blick zu, als habe sie mich im Verdacht, ihr Erscheinungsbild absichtlich sabotieren zu wollen.
    »Ja«, sagt sie schließlich grollend. »Ja, ich glaube, Sie haben Recht.« Sie versucht, die Knöpfe wieder aufzumachen - aber sie ist derart eingezwängt, dass sie nicht mehr mit den Händen an die Knöpfe kommt. Und Eddie ist inzwischen in sein Studierzimmer abgewandert.
    »Soll ich ...«, erbiete ich mich.
    »Ja, danke.« Ihr Hals wird knallrot. »Wenn Sie so nett wären.«
    Ich gehe zu ihr und mache die Knöpfe so behutsam wie möglich auf, was nicht sehr sanft ist, da der Stoff ziemlich steif ist. Als ich schließlich fertig bin, macht sie einen Schritt zurück und begutachtet sich erneut im Spiegel. Unzufrieden zupft sie an sich herum.
    »Sagen Sie, Samantha«, sagt sie beiläufig, »wenn Sie mich jetzt zum ersten Mal sähen, was würde Ihnen dann in den Sinn kommen? Wie würden Sie mich beschreiben?«
    O Gott. Ich glaube nicht, dass die Beantwortung solcher Fragen in meiner Stellenbeschreibung enthalten war. Hastig zermartere ich mir das Hirn nach dem schmeichelhaftesten Ausdruck, der mir einfallen will.
    »Ah ... äh ... elegant.« Ich nicke, wie um meinen Worten mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. »Ich würde sagen, elegant.«
    »Elegant?« Ihre Augen richten sich wie zwei Laserstrahlen auf mich. Mir schwant, dass das nicht die richtige Antwort war.
    »Dünn! Ich meine dünn!«, rufe ich in plötzlicher, göttlicher Eingebung.
    Gut, dass ich da noch draufgekommen bin.
    »Dünn.« Sie dreht sich vor dem Spiegel. »Dünn.«
    Klingt nicht, als ob sie ganz damit zufrieden wäre. Was stimmt nicht mit dünn und elegant, verdammt noch mal?
    Was nicht stimmt ist, dass es nicht stimmt - wollen doch mal ehrlich sein.
    »Was ist mit...« Meinen Blick tunlichst vermeidend, schüttelt sie ihre Haare zurück. »Was ist mit... jung?«
    Jung? Jung im Vergleich zu was?
    »Ah ... klar. Klar. Jung. Das versteht sich von selbst«, stammle ich.
    Bitte frag jetzt bloß nicht, wie alt ich dich schätze —
    »Wie alt würden Sie mich schätzen, Samantha?«
    Sie dreht den Kopf von einer Seite zur anderen, zupft sich hier ein Staubkörnchen von der Schulter, dort ein Haar und erweckt insgesamt den Eindruck, überhaupt nicht an meiner Antwort interessiert zu sein. Aber ich weiß genau, dass sie ihre Ohren wie Satellitenschüsseln ausgefahren hat, um sich auch ja nicht das kleinste Geräusch entgehen zu lassen.
    Mein Gesicht prickelt. Was soll ich bloß sagen? Ich sage ... fünfunddreißig. Nein. Das wäre lächerlich. Einer so gigantischen Selbsttäuschung könnte nicht mal sie unterliegen. Vierzig? Nein, zu nahe an der Wahrheit.
    »Sind Sie ... siebenunddreißig?«, rate ich schließlich. Trish dreht sich um - und ihr selbstgefälliger Gesichtsausdruck beweist mir, dass ich diesmal den richtigen Kriecherquotienten getroffen habe.
    »Ich bin neununddreißig, um genau zu sein!« Zwei rote Flecken tauchen bei diesen Worten auf ihren Wangen auf.
    »Nein!«, rufe ich in tapfer geheucheltem Erstaunen aus und versuche dabei krampfhaft, nicht auf ihre Krähenfüße zu schauen. »Nicht zu glauben!«
    Mann, die Frau lügt wie gedruckt. Sie ist letzten Februar sechsundvierzig geworden. Wenn sie nicht will, dass die Leute ihr wahres Alter erfahren, sollte sie nicht ihren Personalausweis auf ihrer

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