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Goettinnensturz

Goettinnensturz

Titel: Goettinnensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Buerkl Anni
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auch, früher noch mehr.
    »Okay, du hast recht, Berenike. Bist du jetzt zufrieden?« Mit einem Seufzen ließ er sich ins Gras fallen. Sie setzte sich neben ihn, vielleicht fand sie über die körperliche Nähe leichter Zugang zu ihm. »Es stimmt«, fuhr er fort, »die Angaben, die wir über die Strömungen im See erhalten haben, deuten darauf hin, dass Monika hier ins Wasser geworfen und wahrscheinlich getötet wurde. Aber das ist alles …«
    »… dienstlich und geheim. Ich weiß.«
    Jonas blickte sie lange schweigend an. Mit einem Ruck stand er auf und stapfte los. Stumm, so stumm.
    Sie querten einen Wasserfall, die Luft daneben war angenehm kühl. Atemlos kamen sie bald darauf zu einer Lichtung. Eine weiße Kapelle schmiegte sich an einen grünen Hang, ihr kleines Türmchen mit Holzschindeln gedeckt. Ein Hinweisschild erklärte, dass es sich dabei um ein Refugium des heiligen Wolfgang gehandelt hatte. Tannen umstanden das Gotteshaus, während man von der Wiese davor einen atemberaubenden Ausblick über den See und die umliegenden Berge hatte.
    Sie rasteten auf einem Felsvorsprung, der Wind pfiff hier oben heftig. Berenike wickelte sich fester in ihre Jacke. Die Sonne strahlte, überall, keine Wolke weit und breit, trotzdem schauderte Berenike. Nicht nur wegen des Schweißes, der nun vom Wind getrocknet wurde. Jetzt reden? Sie sah zu Jonas hinüber, der starrte aufs Tal hinunter. Nein, nicht reden. Heute Abend war noch Zeit genug dafür.
    Jetzt endlich einmal: loslassen. Die Müdigkeit sacken, vergehen lassen. Der Kopf leer, frei. Grübeleien wegschieben. Das Schöne sehen, genießen, innerlich aufsaugen. Das Totale eines Sonnentags. Dieses leuchtende Blau des Himmels.
    Jonas sprang schon auf, öffnete mit dem gesunden Arm die schwere Tür der Kapelle, kämpfte sich hinein. Holz knackte unter seinen Füßen, dann unter Berenikes Schritten. Sie war überrascht, wie hell es im Innenraum war.
    »Und das ist also der Durchschliefstein.« Berenike war ein paar Stufen hochgestiegen und gelangte zu einer engen Felsspalte hinter dem Altarraum. »Die Höhle des heiligen Wolfgang.«
    Jonas war ihr gefolgt, stand achselzuckend da. Stumm, weiterhin stumm.
    »Die Höhle führt in den Berg«, plapperte Berenike. »Eigentlich ein alter Durchschlief-Stein, aus keltischer Zeit oder so. Sie haben die Kapelle später daran gebaut. Wie oft an alten Kraftorten … Komm, lass uns durchschlüpfen.«
    Keine Antwort.
    »Jonas?«
    »Wenn du meinst«, murmelte er, seine brüchige Stimme hallte trotz des leisen Tons von den Wänden wider. Ein tiefes Seufzen entrang sich ihm, während er die Hand mit dem Verband vor sich hochhielt und zögernd voran in den engen, felsigen Gang trat.
    Berenike wartete einen Moment. Wartete, ob er was sagte. Nichts. Still folgte sie ihm in die Dunkelheit. Der feuchte Atem des uralten Gesteins raubte ihr fast die Luft. Die Wände waren dunkel, die Oberfläche glatt geschliffen von unzähligen Händen und Körpern, die sich vor ihnen hier durchgezwängt hatten, schon in vorchristlicher Zeit. Alle hatten sie sich etwas erhofft davon. Wallfahrtsort zu allen Zeiten, uralter Frauenkultort, an dem eine Muttergöttin verehrt worden war, hatte Berenike gelesen. Sie dachte an ihre Mutter, an sich selbst, fühlte ihren Bauch, der nie ein Kind beherbergt hatte. Wie das wohl wäre, das Muttersein? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Es war nie Thema gewesen und jetzt, mit Jonas, wer wusste schon, wie es weitergehen würde? Die Vorstellung blitzte in ihr auf, dass er weg wäre – als würde er in diesem Gang hier vor ihr verschwinden, einfach vom Dunkel geschluckt werden. Ihr war kalt, so kalt. Kalt und leer. Ein Albtraum.
    Diese Enge, die Dunkelheit! Auf sich selbst zurückgeworfen. Allein. Allein , echoten ihre Gedanken, als hätte sie sie in den Stein hineingerufen.
    Berenike schob sich voran, die Bewegungen fühlten sich entsetzlich langsam an, mühsam, als hielte etwas – oder jemand – sie zurück. Sie wusste nicht mehr, wie viele Schritte sie schon gegangen war, wie lang sie hier war.
    Widerstand rammte sich ihr entgegen, drückte sie, als wäre er körperlich. Der Gang wurde immer enger. Als würde sich ihr der Felsen von allen Seiten entgegenstemmen, mit seinem Gewicht von unzähligen Jahrtausenden. Als würde ihr Körper, ihr ganzes Wesen am Stein kleben bleiben, wie zähflüssiger Honig daran haften, allein, sie und der Stein.
    Berenike zwang sich, einen Fuß auf dem unebenen Boden vor den anderen zu

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