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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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Optimismus nach. Einen Moment lang hätte sich Gohar beinahe der Verzweiflung hingegeben, aber das Vertrauen, das er in den unbegrenzten Einfallsreichtum Yeghens setzte, hielt ihn davor zurück. Letztlich würde Yeghen schon einen Weg Finden, um sich die Droge zu besorgen; er verfügte über tausend Möglichkeiten, schwierige Situationen zu meistern. Gohar glaubte an Wunder. Nicht an die großartigen Wunder ohne unmittelbare Wirkung, sondern an die einfachen Wunder des _ täglichen Lebens. Und die Droge war eines dieser Wunder.
    »Was soll ich ihm schreiben, deinem Onkel?«
    Arnaba gab ihr sinnliches Lächeln und ihr mädchenhaftes Gebaren auf, um einen nachdenklichen und tiefgründigen Gesichtsausdruck anzunehmen.
    »Was man eben so schreibt«, sagte sie. »Berichte ihm, daß ich mich gut betrage, daß es mir hier gefällt und daß ich hart arbeite. Ich glaube, das reicht.«
    Gohar senkte den Kopf und tat so, als würde er zu schreiben anfangen, in Wahrheit aber war er noch nicht dazu imstande. Das Blatt Papier hatte er auf seine Knie gelegt, der Stift zitterte in seiner Hand, und er zerbrach sich den Kopf über eine passende Eingangsformulierung. Schließlich war dieser Mann ja nicht sein Onkel. Wie würde also eine Hure ihrem Onkel schreiben? Gohar schwankte zwischen mehreren Formulierungen. Mit familiären Sentimentalitäten kannte er sich nicht aus.
    Er hob den Kopf und sah das Mädchen erneut an. Von dem Begehren, das sie kurze Zeit zuvor bei ihm geweckt hatte, war nichts geblieben; dieser verlassene Körper auf dem pistaziengrünen Plumeau in seiner lässigen und provokativen Haltung interessierte ihn überhaupt nicht mehr. Etwas anderes zog seine ganze Aufmerksamkeit auf sich: die goldenen Armreifen, mit denen die nackten Arme des Mädchens geschmückt waren.
    Diese goldenen Armreifen hatten ihn in einen ungewöhnlichen Gefühlszustand versetzt, er konnte sich nicht mehr von ihrem Anblick losreißen. Einen kurzen Augenblick lang war er wie geblendet; er legte die Hand auf seine Stirn, schüttelte sich und kämpfte mit aller Kraft gegen die Verführung durch einen furchtbaren Gedanken an, der sich unwillkürlich seiner bemächtigte. Wild verzweifelt versuchte er, ihn aus seinem Bewußtsein zu vertreiben, aber er widerstand all seinen Bemühungen. Dieses ganze Gold entsprach in seinen Augen dem Wert einer so unendlich großen Menge Drogen, daß man sich monatelang, vielleicht sogar jahrelang den heitersten Genüssen hingeben könnte. Gohar versuchte die genaue Menge an Drogen abzuschätzen, die man sich mit einem solchen Vermögen kaufen könnte, aber die Unermeßlichkeit seiner Aufgabe entmutigte ihn, und er brach seine Berechnungen ab. Sein Traum zu reisen übermannte ihn von neuem, nicht jedoch wie ein weit in die Zukunft entrücktes Vorhaben, sondern mit der ganzen Intensität eines realisierbaren Unternehmens. Die Reise nach Syrien wurde zu einer naheliegenden und greifbaren Wirklichkeit. Bis in die kleinsten Einzelheiten stellte er sich diese Reise in das Land seiner Träume vor, in dem das Haschisch auf den Feldern wuchs wie gewöhnlicher Klee. Die Verführung seines Geistes durch diese Bilder von einer anderen Welt versetzten ihn fast in ein Delirium. Einen Augenblick lang sah er sich selbst, wie er über das Mädchen herfiel, um ihr die Armbänder zu entreißen; aber in genau diesem Moment bewegte Arnaba den Arm, und das Klappern der goldenen Armreifen in der Stille des Zimmers schreckte ihn auf Er erwachte plötzlich aus seiner Betäubung und begann fieberhaft zu schreiben.
    Arnaba verspürte ein Gefühl heiteren Stolzes; sie war sich sicher, daß das seltsame Verhalten Gohars nur der Ausdruck seiner fleischlichen Lust sein konnte. Sie wußte um ihre Schönheit, und das Zittern des Mannes ließ sich für sie nur durch das Begehren erklären, das sie in ihm weckte. Sie war ein Mädchen vom Land, unwissend und einfach, entbehrte jeglichen Unterscheidungsvermögens und war mit den Prinzipien einer ursprünglichen Sexualität verwachsen. Für sie bestand der einzige Grund für die Verwirrung Gohars in seinem Begehren, und sie hatte den Entschluß gefaßt, aus Dankbarkeit mit ihm zu schlafen.
    Gohar schrieb stumm, wobei es ihn viel Mühe kostete, sich zu konzentrieren. Trotz der Einfachheit der verwendeten Formulierungen fiel es ihm schwer, seine Sätze abzufassen. Eine ihm unbekannte Qual setzte ihm zu. Schon eine ganze Zeit lang fand er Gefallen an der absurden Versuchung, eine Gewalttat zu begehen.

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