Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
Vom Netzwerk:
dieselbe
    Weise vorgehen wie ein gewöhnlicher Einbrecher. Das verlangte sein Selbstwertgefühl. Allerdings fiel ihm keine neue Methode ein.
    Plötzlich hatte er das Gefühl, als würde ihn jemand beobachten. Er öffnete die Augen und stellte fest, daß er sich nicht getäuscht hatte. Jemand sah ihn beharrlich an, jemand, dessen Gesicht allein schon Unglück verhieß. Der einäugige Mann saß in der Nähe der Tür, ihm fast gegenüber, und belauerte ihn auf hinterhältige Art und Weise. Vor allem verunsicherte El Kordi, daß er den Eindruck hatte, als fixiere ihn der Kerl mit seinem blinden Auge. So als würde das intakte Auge neutral bleiben und ihm gegenüber sogar eine gewisse Nachsicht walten lassen.
    Unerbittlich und grausam richtete der einäugige Mann weiterhin den furchterregenden Blick seines einzigen Auges auf ihn. El Kordi aber sah nur das blinde Auge, so daß sich ihre Blicke niemals kreuzten. Diese heikle Situation dauerte eine ganze Weile. El Kordi fragte sich, was dieser Kerl wohl von ihm wollte und ob er ihn nicht schon einmal gesehen hatte. Er wurde sehr nervös, während er versuchte, die Person einzuordnen, und sich alle Mühe gab, den Grund für ihr provokatives Verhalten herauszufinden. Die Unmöglichkeit, sich dieser Inquisition dadurch zu entziehen, daß er wegging, versetzte ihn schließlich in einen Zustand empörter Wut. Das würde er sich nicht gefallen lassen. »Ich werde ihm ins Gesicht spucken. Man wird sehen, ob er mich dann weiter so anstiert.« Aber die Furcht davor, in genau dem Augenblick einen Skandal heraufzubeschwören, wo er sich auf die Durchführung eines kühnen Diebstahls vorbereitete und unbedingt kühlen Kopf bewahren mußte, hielt ihn davon ab, sich dazu hinreißen zu lassen. Er schluckte seinen Speichel wieder hinunter.
    Die Straßenbahn hielt an einer Station, fuhr wieder an, und plötzlich sah man den Kopf des Schaffners in der Tür auftauchen. Es war unmöglich zu sagen, durch welches geschickte Manöver ihm dieser Gewaltakt gelungen war.
    »Noch jemand ohne Fahrschein?« rief er.
    Niemand ließ sich zu einer Antwort auf diese Frage herab. Der Schaffner, eine dünne Person mit blassem Gesicht und einer abgetragenen Uniform, wurde anmaßend und drohte, die Straßenbahn anhalten zu lassen. Auf diese Weise in die Enge getrieben, holten die Fahrgäste widerwillig ihr Geld heraus und lösten ihren Fahrschein, als würden sie dem Schaffner ein Almosen entrichten. Nur der einäugige Mann hatte sich nicht gerührt; immer noch fixierte er El Kordi mit seinem einen, unbarmherzigen Auge.
    Ungeduldig sprach ihn der Schaffner direkt an:
    »He, Sie da!«
    »Geheimpolizei«, antwortete der Einäugige trocken und ohne den Kopf zu wenden.
    El Kordi dachte, die Straßenbahn würde umkippen und alle Fahrgäste hätten sich in einer einhelligen Abwehrhaltung von ihren Sitzen erhoben. In Wahrheit war er der einzige, der stand. Eine Sekunde lang ergriff ihn Panik, dann stürzte er zur Tür, sprang aus der fahrenden Straßenbahn und lief zum nächsten Gehsteig. Als er dann schließlich stehenblieb, um wieder zu Atem zu kommen, war die Straßenbahn schon lange in der Ferne verschwunden wie ein sich verflüchtigender Alptraum. El Kordi verspürte noch immer die Folgen des gewaltigen Schocks, den er erlitten hatte, als er hörte, wie der einäugige Mann seine Identität preisgab. Was für einer fürchterlichen Falle er da gerade entkommen war! Er war heilfroh über sein Glück, das ihn mit einem dermaßen dummen Polizisten bedacht hatte. Sich so zu offenbaren, nur um für seinen Platz nicht zu bezahlen! Was für ein Idiot! Aber warum beschattete ihn die Polizei eigentlich? Mit Sicherheit nicht wegen dieses geplanten Schmuckdiebstahls. Niemand wußte von seinem Vorhaben. Die Polizei konnte nicht von sich behaupten, die Gedanken der Menschen zu lesen. Wenn sie ihn beschattete, dann gab es dafür einen anderen Grund. El Kordi brauchte nicht lange, um ihn zu erraten: die Polizei mußte wissen, daß er ein Revolutionär war; er selbst hatte es diesem schwulen Polizeioffizier im Verlauf seines Verhörs im Bordell deutlich gemacht. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, erhielt die Beschattung durch den Einäugigen eine ganz andere Dimension, sie wurde von den Unterdrückern des Volkes in der Absicht inszeniert, ihn kalt zu stellen. Voller Stolz atmete El Kordi tief durch und lächelte; eine Art wunderbare Trunkenheit stieg ihm zu Kopf. Am Ende war er ein echter Revolutionär, der von der Polizei

Weitere Kostenlose Bücher