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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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nicht aus, um all den Anfragen Herr zu werden.«
    »Ich sehe schon, Liebes«, merkte Gunda an, »es wird schwer, dich zur Rückkehr nach Wehlau zu überreden. Wie aber soll ich es dort ohne dich aushalten?«
    Unerwartet versagte ihr bei den letzten Silben die Stimme. Beschämt senkte sie das Antlitz. Zu Agnes’ Überraschung trat Caspar zu ihr und legte ihr scheu den Arm um die Schultern. Als sie sich dessen nicht erwehrte, lächelte er scheu. »Grämt Euch nicht. Auch wenn Agnes hierbleibt, werdet Ihr nicht allein sein. In Gedanken ist sie stets bei Euch, genau wie ich.«
    »Ja, du hast recht, mein Lieber. Im Herzen seid ihr alle bei mir, ganz egal, wo ihr gerade steckt.« Gunda wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen. Ihre langen, dunklen Wimpern glänzten feucht. Nie zuvor hatte Agnes sie so erlebt. Zugleich erfasste sie ein eigenartiges Gefühl, Caspar derart besorgt um Gunda zu sehen. War das etwa Eifersucht? Sie schalt sich dafür.
    »Lasst uns endlich etwas essen. Ich sterbe vor Hunger!«, rief Laurenz übermütig dazwischen und führte Agnes zum Tisch. Ehe sie sich’s versah, drückte er sie auf einen Stuhl hinunter, setzte sich neben sie und sah die anderen aufmunternd an. Sie folgten seinem Beispiel, während die Muhme den Suppenkessel brachte und ihnen die Schalen füllte. Eine Weile aßen sie schweigend, tranken von dem Bier, das die Streicherin großzügig reichte, und genossen die sich ausbreitende Wärme in ihren Körpern.
    »Ihr ahnt alle nicht, wie oft ich mir diesen Moment herbeigesehnt habe«, begann Gunda, sobald Agnes als Letzte ihre Schale ausgekratzt und den Löffel beiseitegelegt hatte. »Fast habe ich schon geglaubt, ihn nicht mehr zu erleben. Dabei hat mir ein Gefühl tief in meinem Herz stets versichert, dass es eines Tages so weit kommen wird.«
    »Warum hast du selbst nie etwas getan, um Caspar wiederzufinden?«, platzte es aus Agnes heraus. Verblüfft stellte sie fest, dass die Eifersucht von vorhin noch immer an ihr nagte. Eine Lust, Gunda das spüren zu lassen, erfasste sie. »Spätestens, als Laurenz im April bei uns in Wehlau aufgetaucht ist und dich wiedererkannt hat, wäre eine gute Gelegenheit gewesen, die Wahrheit zu sagen. Längst hätten wir hierherreisen und nach Caspar suchen können. Du aber hast alles abgestritten. Selbst als ich darüber krank geworden bin, hast du mir nicht die Wahrheit gesagt.«
    »Verzeih, Liebes, das war ein großer Fehler.« Quer über den Tisch streckte Gunda die Hand nach ihr aus, bat mit einem scheuen Lächeln um Vergebung. »Fröbel hat mich gelehrt, die Dinge anzunehmen, die das Schicksal mir zugewiesen hat, sofern sie nicht zu ändern sind. Nach vorn zu schauen ist sinnvoller, als alle Kraft in den Zorn auf das Geschehene zu stecken. Ich wollte dich vor den Schatten der Vergangenheit bewahren und dir ein unbeschwertes Aufwachsen ermöglichen. Darin hat Fröbel mich stets bestärkt. Am Sterbebett habe ich ihm versprochen, das erste Jahr nach seinem Tod abzuwarten, bevor ich mich entscheide, ob ich doch noch einmal etwas unternehmen würde oder nicht. Ein Anfang sollte das Geschäft mit dem litauischen Eibenholz sein, das ich im Frühjahr mit Rehbinders Hilfe eingefädelt habe. Ich wollte behutsam vorgehen, erst einmal herausfinden, wie es um Gernot und Editha inzwischen steht, wie Caspar bei ihnen herangewachsen ist. Natürlich habe ich das alles nur getan, um irgendwann mit Caspar selbst in Berührung zu kommen. Früher oder später hätte sich die Gelegenheit ergeben und ich hätte mich entschließen können, ob ich euch beiden die Wahrheit sage. Vergiss nicht …«, Agnes wollte sie empört unterbrechen, sie aber bedeutete ihr mit einem Handzeichen zu schweigen, »… Caspar ist in dem Glauben aufgewachsen, dass Editha und Gernot seine leiblichen Eltern sind. Anders als du hat er nie die geringste Ahnung gehabt, wie es sich in Wahrheit verhält.«
    »Ich doch auch nicht!«, brauste Agnes auf. »Ich wusste nur, dass Fröbel nicht mein leiblicher Vater ist. Gib zu, dabei wäre es wohl auch für alle Ewigkeit geblieben, hätte Laurenz nicht mein Feuermal entdeckt und dich wiedererkannt. Von dir aus hättest du mir nie ein Wort von meinem Bruder gesagt. Das Geschäft mit Gernot hast du nur eingefädelt, um dich an ihm zu rächen. Um nichts anderes ist es dir gegangen!«
    »Zum Teil hast du recht«, lenkte Gunda zu ihrer Verwunderung ein. »Natürlich ist es mir auch um Rache gegangen. So ganz kann ich einfach nicht vergessen, was mir

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