Goldener Bambus
schrieb sie.
Trotzdem tat es ihr gut, zu wissen, dass sie sich aufgrund ihrer schriftstellerischen Erfolge eine ständige Betreuerin für Carol leisten konnte. »Da Carol Musik liebt, gibt es in dem Haus, welches ich mit Hilfe des Geldes bauen konnte, ein Grammophon und eine Schallplattensammlung«, fuhr sie fort.
Sie berichtete von dem Farmhaus, das sie in Pennsylvania gekauft hatte. »Verglichen mit chinesischen Bauernhäusern ist es riesengroß«, schrieb sie. »Ich lasse es gerade renovieren, damit ich mehr Kinder adoptieren kann.«
Pearl und ich sprachen noch immer über Hsu Chih-mo. Sie hatte schließlich um ihn trauern können und begonnen, wieder in die Zukunft zu blicken. »Ein neuer Mann ist am Horizont meines einsamen Liebeslebens aufgetaucht«, schrieb sie. »Aber mir sind die Hände gebunden, solange meine Scheidung von Lossing nicht durch ist.«
Der neue Mann war ihr Verleger und Lektor Richard Walsh. Stolz erzählte Pearl, dass sie gute Freunde gewesen waren, bevor sie ein Liebespaar wurden.
Ich schrieb zurück, dass ich mich sehr für sie freute und ihr gratulierte. Gleichzeitig beklagte ich mich über Dick und die Rote Basis.
Zu meinem Entsetzen wurde der Brief vom kommunistischen Geheimdienst abgefangen, und Dick bekam Schwierigkeiten.
»Ich habe dich gewarnt!«, zischte er mich an. »Wir Kommunisten trauen den Amerikanern nicht! Unsere Feinde werden von den Amerikanern unterstützt! Warum ist es so schwer für dich, das im Kopf zu behalten? Nur wenn Yan’an sicher ist, überlebt Mao!«
In der Vergangenheit hatte Dick mir abgeraten, Pearl zu schreiben. Jetzt verbot er es mir.
Ich weigerte mich, den Antrag zur Aufnahme in die Kommunistische Partei zu unterschreiben, den Dick vor mich auf den Tisch legte. Er konnte mir noch so oft die Vorteile und Notwendigkeit erklären, ich nahm den Stift nicht zur Hand.
Doch nach Monaten des Kampfes gab ich schließlich nach. Ich unterschrieb aus Loyalität zu meinem Ehemann. Solange ich nicht Mitglied der Kommunistischen Partei war, würde er nicht das volle Vertrauen Maos genießen.
Mein größtes Problem war es, die Vorschriften der Kommunistischen Partei zu befolgen. Anscheinend sagte ich immer die falschen Worte zur falschen Zeit, lobte oder kritisierte die falschen Leute. Ich bedauerte die hochrangigen Helden, weil sie ihren Rang nur durch das Töten vieler Menschen erlangt hatten. Und ich sagte, dass alle Kriege falsch seien. Wegen dieser Fehler musste ich öffentliche Selbstkritik üben.
Als Folge wurde Dick degradiert. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Anstatt mit mir zu streiten, bekam er Wutausbrüche bei der Arbeit. Er beschloss, sich um eine Versetzung zu bemühen, um näher am Kampfgeschehen zu sein. Er wollte als Erster dem Feind gegenübertreten und als Letzter in Deckung gehen. Die Ironie war, dass genau diese Entscheidung für ihn zum Karrieresprung wurde. Er bekam Orden und erhielt eine Beförderung nach der anderen. Sein Mut gewann ihm die Achtung der kommunistischen Führung, und er bekam seinen früheren Job zurück. Mao nahm Dick wieder in seinen Kreis auf und pries ihn als »den Roten Prinz«.
»Ist Mao dann der Rote Kaiser?«, witzelte ich, sobald Dick unsere Höhle betrat.
Dick fand das gar nicht lustig und verbot mir, noch einmal so etwas zu sagen.
Mein Leben war, wie einst eine Wahrsagerin prophezeit hatte, ein ständiger Wechsel des Feng Shui, was bedeutete, dass mein Schicksal immer wieder eine neue Richtung einschlug. Meine Zukunft als Kommunistin war ein Beweis für die Klugheit der Wahrsagerin. Ich hätte nie gedacht, einmal Nutzen aus meiner Bettlervergangenheit ziehen zu können. Doch in das Aufnahmeformular als Mitglied der Kommunistischen Partei schrieb ich in die Rubrik »Familienhintergrund« wahrheitsgemäß das Wort »Bettler«. Das qualifizierte Papa als Proletarier und somit auch Rouge und mich. Hätte mein Großvater nicht sein ganzes Geld verloren, hätte mein Vater sein Land geerbt und wäre damit ein Feind der Kommunisten gewesen. Ich wäre denunziert und vielleicht als Spionin erschossen worden.
Die Anspannung zwischen Dick und mir hatte viel mit den unschuldigen Menschen zu tun, die Mao in der Roten Basis ermorden ließ. Ich sah es mit eigenen Augen. Andere wurden am helllichten Tag verhaftet, abtransportiert und verschwanden für immer. Es waren junge Leute, ehemalige Universitätsstudenten – unabhängige Denker, von Dick persönlich rekrutiert. Sie hatten sich Mao angeschlossen, um
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