Goldener Bambus
Auszeichnungen als Genossin mit besonderen Verdiensten erhalten und einen Mao-Orden. Ihre Lieblingslieder waren sowjetische Hymnen, und ihr Lieblingskleidungsstück war ein Lenin-Jackett.
Wir sollten Dick in Peking treffen, der Stadt, die Mao zu seiner neuen Hauptstadt gemacht und deren Namen er in Bejing geändert hatte. Auch die Truppen der Achten und Vierten Division erlebten eine Veränderung: Sie hatten vorher unter dem Kommando Chiang Kai-sheks gestanden und schlossen sich nun Mao an, wurden Teil seiner Volksbefreiungsarmee.
Dick holte uns in einem amerikanischen Jeep ab. Braungebrannt und mager wegen der Magengeschwüre, die er bekommen hatte, war er doch glücklich. Er erzählte uns, der Wagen hätte vorher Madame Chiang Kai-shek gehört.
Die Volksbefreiungsarmee wurde von den Einwohnern der Stadt bejubelt. Als wir in Bejing eintrafen, war Dicks amerikanischer Jeep Teil der Parade. Die jubelnde Masse trommelte. Kinder warfen Blumen. »Lang lebe der Vorsitzende Mao!«, riefen sie. »Lang lebe die Kommunistische Partei Chinas!«
Der 1 . Oktober 1949 war ein Feiertag für die ganze Nation. Mao stand oben auf dem Tiananmen, dem Tor des Himmlischen Friedens, und verkündete der Welt die Unabhängigkeit Chinas. Er versprach Freiheit und Menschenrechte. Von dem Moment an galt Mao als der klügste Herrscher, den der Himmel China jemals geschenkt hatte.
Nur wenige wussten, dass Dick die Verhandlungen für einen friedlichen Machtwechsel geführt hatte. Bei geheimen Treffen konnte er General Chu, der Peking im Auftrag Chiang Kai-sheks beschützte, zur Kapitulation überreden. Er hatte ihn davon überzeugt, dass Chiang Kai-shek ihn im Stich gelassen hatte, und ihm klargemacht, dass jedes Weiterkämpfen ein Blutbad nach sich ziehen würde, aus dem er – Chu – unweigerlich als Verlierer hervorgehen würde, auch wenn er noch so großen Widerstand leistete. Im Namen Maos versprach Dick General Chu einen hohen Posten in der Volksbefreiungsarmee und unterzeichnete mit seinem Namen die Geheimvereinbarung für Mao. In dem Moment, als General Chu die weiße Fahne schwenkte, war er zum Volkshelden geworden.
Ich traute meinen Augen nicht, als Dick uns zu unserem neuen Haus innerhalb der Verbotenen Stadt brachte. Wir würden in einem der Paläste wohnen. Dick erzählte mir, dass Mao und seine Frau, sein Stellvertreter sowie seine Minister und deren Familien bereits in die Verbotene Stadt gezogen waren.
Ich brauchte Tage, um zu begreifen, dass mein Leben sich wirklich verändert hatte. Endlich musste ich nicht mehr in einer Höhle wohnen und Bombenangriffe miterleben. Ich würde immer genug zu essen haben. Ich betrachtete mich im Spiegel und sah ein Gesicht, das ich kaum noch wiedererkannte. Im Alter von neunundfünfzig Jahren konnte ich endlich sesshaft werden.
Das kommunistische Amt für Wohnungswesen verwarf die imperialistischen Namen der Paläste und gab ihnen Nummern. Unser Haus, früher Palast der Gelassenheit, hatte die Nummer 19 .
Ich wanderte durch mein neues Zuhause und bewunderte die Pracht der kaiserlichen Architektur. Der Palast war ein einziges Kunstwerk, das in jedem Licht anders aussah. Die gewaltigen Rundbögen und Steinsäulen erinnerten mich an eine Opernbühne. Rouge war von dem riesigen Holztor beeindruckt und lief singend und jubelnd von Zimmer zu Zimmer. Wir hatten vier große Haupt- und sieben Hauswirtschaftsräume. Ein überdachter Pfad führte in den Garten mit immergrünen Bäumen, prächtigen Büschen und herrlich duftenden Blumen.
»Können wir uns das überhaupt leisten, hier zu wohnen?«, fragte ich.
Dick lächelte. »Es kostet nichts.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe das Haus nicht ausgesucht«, antwortete er. »Es war die Entscheidung des Vorsitzenden Mao.« Angesichts meines verwunderten Gesichtsausdrucks erklärte Dick: »Er wollte, dass ich aus geschäftlichen Gründen in seiner Nähe wohne. Das macht es einfacher für ihn.« Er hielt inne, sah mich aufmerksam an. »Ich dachte, dieses Arrangement macht dich glücklich. Wie viele Menschen in China können schon in einem Palast wie diesem wohnen?«
Ich hätte mir ein Haus mit mehr Privatsphäre gewünscht, verstand aber, dass Dick keine Wahl hatte. Rouge wurde mit anderen Kindern hochrangiger Amtsträger in eine Privatschule geschickt, in der mehr Russisch als Chinesisch unterrichtet wurde. Das Ziel der Schule war es, die Abgänger auf die Universität in Moskau vorzubereiten.
Mit Beginn der Schule wurde meine Tochter mir
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