Goldener Bambus
Negativbeispiel. Sie sah es als ihre Aufgabe an, ihren Mann beim Lancieren der Großen Proletarischen Kulturrevolution zu unterstützen, mit der Mao seine Macht in China und in Übersee festigen wollte.
Maos größte Fähigkeit war es, seine persönlichen Bestrebungen – die Vernichtung des Feindes – zur Obsession seines Landes zu machen. Dick meinte, im Gefängnis wäre ich am sichersten. Als Rouge mich im Mai 1965 besuchte, erzählte sie mir, dass die Welt draußen auf dem Kopf stünde. Teenager-Mobs, die sich selbst als Maos Rote Garde bezeichneten, sangen: »Was immer unserem Feind gefällt, lehnen wir ab, und was immer unser Feind ablehnt, gefällt uns.« Sie sangen Maos Parolen und attackierten alle, die sie für antimaoistisch hielten.
Rouge sorgte sich wegen meines schlechten Gesundheitszustandes und der Tatsache, dass ich keinen Arzt sehen durfte. Zum ersten Mal seit Jahren betete sie wieder mit mir. Sie sagte, sie wolle mehr über Gott wissen, doch ich hatte Angst, dass sie einer zu gründlichen Gehirnwäsche unterzogen worden war und sich eines Tages gegen mich wenden würde. Wenn überhaupt, konnte ich sie am besten durch mein eigenes Beispiel beeinflussen.
Eines frühen Morgens wurde ich aus meiner Zelle gezerrt. Die Rote Garde hatte das Gefängnis gestürmt, und man wollte mich zu Tode prügeln, wenn ich Pearl Buck nicht denunzierte.
Wässriger, ranziger Reisbrei war alles, was ich zu essen bekam, und es gab niemals genug. Hunger nagte an meinen Eingeweiden. Meine Zelle war ein fensterloser dunkler Betonkasten ohne Strom und Wasser. Ich verlor jedes Zeitgefühl. Viele Menschen waren auf diese Weise in den Wahnsinn getrieben worden.
Um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden, fing ich an, christliche Lieder zu singen. Als die Gefängniswächter es mir verboten, begann ich, mit dem Finger Kalligraphien von Bibelsätzen zu zeichnen. Mangels Wasser tauchte ich meinen Zeigefinger in den Urineimer und schrieb die Worte auf den Betonboden, als wäre er Reispapier. Ich fing links oben an, und wenn ich unten ankam, war es oben wieder trocken und ich konnte von neuem beginnen.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging Es gab keinen Spiegel, und so wusste ich nicht, wie ich aussah. Eines Tages entdeckte ich Haare auf dem Boden und sah, dass ich grau geworden war.
Irgendwann kam ein Gefängniswärter und führte mich in einen anderen Raum mit Tisch, Stuhl und Waschbecken. Man gab mir einen Kamm und eine Zahnbürste und sagte, ich solle dafür sorgen, dass ich vorzeigbar war.
»Du hast eine Verabredung«, sagte mir der Wärter. Ich sollte ein hochrangiges Parteimitglied treffen.
Nachdem ich mich hergerichtet hatte, wurde ich von zwei uniformierten Männern zu einem Auto eskortiert. Einer von ihnen legte mir eine Augenbinde um.
Es war eine lange Fahrt über holprige Straßen.
Als mir die Augenbinde abgenommen wurde, sah ich einen Militärkomplex vor mir. Wir passierten ein schmales Tor. Ich roch Essen. Die Soldaten führten mich in einen großen Raum mit einem fleckigen Teppich, roten Sofas und dunkelgrünen Gardinen. Auf dem Tisch stand ein Korb mit Bananen.
»Bedien dich«, sagte die Aufseherin in perfektem Mandarin.
Ich hätte nichts angerührt, wäre ich nicht am Verhungern gewesen. Wie ein Affe griff ich mir eine Banane, zog die Schale ab und steckte sie mir in den Mund. Ich war so sehr mit Essen beschäftigt, dass ich meine Umgebung vergaß. Als ich mir eine zweite Banane nehmen wollte, bemerkte ich jemanden auf dem Sofa. Zuerst dachte ich, es wäre ein Mann, wegen der Männeruniform. Sie trug eine grüne Mütze mit rotem Stern dran.
»Nimm dir Zeit«, sagte sie.
Ich erstarrte. Ich traute meinen Augen nicht.
»Alte Freundin, hast du mich schon vergessen?« Sie lächelte.
Da erkannte ich die langen, knochigen Finger wieder. »Madame Mao, bist du das?«
»Ja. Es ist lange her.« Sie lächelte. »Siehst du, ich hab dich nicht vergessen.«
Sie hielt mir die Hand hin.
Ich ergriff sie nicht, entschuldigte mich wortreich, dass meine Finger nach Urin stanken.
Madame Mao zog ihre Hand zurück. »Der Vorsitzende lässt dich grüßen. Er ist sehr beschäftigt, wie du dir sicher vorstellen kannst. Ich möchte mit dir eine Lösung ausarbeiten, die ihm gefallen wird.«
»Wie könnte ich dir denn nützlich sein?«, fragte ich.
»Genossin Yee, ich offeriere dir eine einmalige Gelegenheit. Du kannst dein Leben ändern, indem du dem Vorsitzenden deine Loyalität beweist.«
Ich hatte keine Ahnung,
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