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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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Königsberger Klopse, sagt Frau Müller.
    Ach so, sage ich. Dabei habe ich das noch nie gegessen.
    Mit der Soße ist irgendetwas nicht in Ordnung. Sie schmeckt sauer, als wäre sie nicht mehr gut. Vielleicht kommt es daher, dass Frau Müller Alkoholikerin ist. In der Soße schwimmen Dinger, die wie längliche Erbsen aussehen. Ich lasse mir nichts anmerken.
    Lecker, die Königsberger Klopse, habe ich noch nie gegessen, sage ich. Frau Müller lächelt. Die Schwestern schauen mich an.
    Ich nehme eine von den Erbsen auf die Gabel. René hat seine Erbsen an die Seite getan. Die Schwestern haben die Erbsen auch an die Seite getan. Ich weiß, dass es keine Erbsen sind.
    Das sind Kapern, sagt René. Die sind wirklich sehr lecker. Du musst mal eine probieren. Die Schwestern kichern. Ich nehme die Kaper in den Mund. René guckt mich an. Ich beiße auf die Kaper. Frau Müller guckt zwischen ihren Kindern hin und her.
    Fies, ne, sagt René.
    Ich schlucke die Kaper runter. Ich trinke etwas von dem verdünnten Getränkesirup, den es bei Müllers zum Mittag gibt, obwohl ich den auch eklig finde.
     
    30
    Sie können mich an der Ecke rauslassen, sage ich von der Rückbank. Ich sitze hinten im Auto, Mark sitzt neben mir. Frau Bloom sitzt vorne am Steuer.
    Quatsch, sagt Frau Bloom und guckt mich im Rückspiegel an. Wir fahren dich bis vor die Haustür, wie sich das gehört.
    Ich sage nichts, ich schaue aus dem Fenster.
    Wir kommen von der Nordsee. Wir haben einen Ausflug nach Büsum gemacht, das ist an der Nordsee. Wir haben Krabben gepult. Eigentlich esse ich keine Krabben, Krabben schmecken nach Fisch. Aber das Pulen bringt Spaß. Wir haben am Hafen Krabben gekauft, jeder einen eigenen Beutel. Wir haben gepult und die Schalen ins Wasser geworfen.Nordsee ist gar nicht so, wie man sich das vorstellt. In Büsum gibt es einfach einen Deich, auf dem Gras wächst, und dann kommt noch ein asphaltierter Weg und dann ist das Meer da. Und auf dem asphaltierten Weg stehen Strandkörbe herum. Strandkörbe ohne Strand. Und Nordsee ist auch nicht blau, sondern braun. Und meistens ist Ebbe, sagt Mark. Dann ist das Meer weg und man kann den Boden sehen. Man steht am Ufer und guckt sich Schlick an. Und man kann auf dem Meer spazieren gehen.
    Hier können Sie mich rauslassen, sage ich. Wir biegen in meine Straße ein. Frau Bloom sagt nichts. Wir fahren an Autos vorbei und an Nachbarhäusern. Da ist Frau Berger, die mit Charles spazieren geht. Charles ist der Hund von Frau Berger. Der Busch, an dem wir vorbeifahren, ist ein Goldregen. Man darf nicht vom Goldregen essen, weil er giftig ist. Man muss sonst ins Krankenhaus und bekommt den Magen ausgepumpt. Man darf die Blüten nicht in den Mund nehmen. Wir fahren an meinem Haus vorbei. Meine Mutter steht in der Haustür. Die Haustür steht offen und meine Mutter steht in der Tür. Meine Mutter trägt ein weißes Nachthemd. Sie hat die Arme ausgebreitet. Ganz langsam fahren wir an meiner Mutter vorbei. Es ist wie im Fernsehen. Wie in Zeitlupe fahren wir an ihr vorbei. Weiß steht sie in der Tür. Ich kann nichts anderes sehen als meine weiße Mutter mit den ausgebreiteten Armen. Mark hat sich neben mir aufgerichtet. Er guckt meine Mutter an. Auch als wir vorbeigefahren sind, guckt er noch. Sie steht in der Tür. In ihrem weißen Nachthemd. Sie guckt geradeaus vor sich hin.
    Was macht denn deine Mutter da?, fragt Mark. Die steht einfach nur so da. Die hat ja gar nicht geguckt. Mark schüttelt sich. Unheimlich, sagt er. Ich sage nichts. Frau Bloom guckt mich im Rückspiegel an. Ich gucke aus dem Seitenfenster. Da haben sich welche einen Wald auf das Garagentor gemalt. Richtig unheimlich, sagt Mark. Die stand einfach nur so da und hat nichts mitgekriegt. Im Wald auf dem Garagentor steht ein Reh, das mich anblickt.
    Mark, sagt Frau Bloom in den Rückspiegel.
    Wir können ja noch ein bisschen spielen, sage ich.
    Was denn?, fragt Mark.
    Weiß nicht, sage ich. Einfach noch spielen.
    Du kommst mit zu uns, sagt Frau Bloom. Und nachher rufen wir bei dir zu Hause an. Jonas kommt mit zu uns. Nicht wahr, Mark?
    Frau Bloom wendet das Auto in der Kehre. Wir fahren die Straße zurück. Schneller jetzt, nicht mehr in Zeitlupe. Ich gucke nicht hin, als wir an unserem Haus vorbeifahren. Meine Mutter steht immer noch in der Tür.
    Wie ein Engel hat sie ausgesehen, sagt Mark. Wir biegen in die Hauptstraße ein. Wie ein Engel, der gerade vom Himmel heruntergekommen ist. An der Bushaltestelle steht ein Mann mit einer roten

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