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Goldener Sonntag

Goldener Sonntag

Titel: Goldener Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Geste.
    Die Unteroffiziere bei den Proviantwagen sahen mit finsteren Mienen zu, wie Susis Räuber hinter ihr herschlenderten, ohne Marschordnung und ohne dass auch nur einer im Gleichschritt mit einem anderen gewesen wäre.
    Als sich der Tross ein wenig zerstreute, sah Blatt, dass zusätzlich zu den vielen und vielfältigen Bewaffnungen – und manche von Susis Räubern waren buchstäblich mit Waffen behangen – drei Pfeiferkinder in Kapuzenmänteln eine kleine Kanone und einen Schubkarren aus dem Schatten der inneren Mauer herausrollten. Die Karre war mit Nichtspulverfässchen und Kanonenkugeln beladen.
    Susi sah das Trio ebenfalls und schaute Fred an, der ihr zuzwinkerte.
    »Wie’s scheint, sind die drei nicht lang in Haft geblieben«, sagte er leise.

KAPITEL NEUNZEHN

    Der Stundenzeiger der Uhr rückte auf die Zwei vor, als der Minutenzeiger die Zwölf passierte. Zwei Stunden waren vergangen, seit Elefant aufgebrochen war und auf der Suche nach dem Fünften und Sechsten Schlüssel im Silbernetz den Hügel erklommen hatte.
    Arthur saß mit gekreuzten Beinen neben der Neun. Er hatte versucht, sich abzulenken und an schöne Dinge zu denken, doch das hatte ihn nur beunruhigt, weil er sich so vieler Dinge in seinem Leben kaum noch entsinnen konnte. Wichtige Erinnerungen an seine Familie, seine Freunde, die Schulen, die er besucht hatte – sie waren dabei zu verblassen. Es kostete ihn große Mühe, die dürftigen Gedächtnisfäden aufzuspüren und miteinander zu verknüpfen.
    Er hatte Angst, aber nicht vor den Puppen und dem Blenden, das ihm möglicherweise in zehn Stunden bevorstand. Arthur hatte Angst, weil er spürte, wie ihm sein menschliches Leben entglitt. Wenn er sich nicht wirklich konzentrierte, bereitete es ihm sogar Schwierigkeiten, die Bilder seiner Brüder und Schwestern vor seinem geistigen Auge erstehen zu lassen. Abgesehen von Michaeli und Eric, die er erst vor Kurzem gesehen hatte, fiel es ihm unendlich schwer, sich ihrer Gesichter oder auch nur an so simple Dinge wie die Farbe ihrer Haare zu erinnern.
    Er konzentrierte sich gerade darauf, sich sein Zimmer in seinem Elternhaus vorzustellen, dasjenige, in dem er am längsten gewohnt hatte, als ein sehr schwaches und fernes Geräusch ihn ablenkte. Er stand auf, ging zum Rand der Uhr, soweit es seine Ketten zuließen, und horchte.
    Da war das Geräusch wieder. Arthur ballte die Fäuste und zerrte an den Ketten: Was er hörte, war Elefants Trompetensignal, und es kam aus sehr weiter Entfernung. Das Tier schien Schmerzen zu haben und in Not zu sein. Arthur vernahm es noch zweimal, jedes Mal schwächer, und dann herrschte plötzlich Stille, die nur vom Ticken der Uhr unterbrochen wurde.
    »Elefant!«, schrie Arthur und warf sich verzweifelt gegen den Rand der Uhr. Goldenes Blut strömte von seinen Handgelenken, als er in seinen Ketten tobte und die Fesseln tief in seine Haut schnitten.
    Aber es hatte keinen Zweck. Arthur konnte die Handschellen und Ketten nicht loswerden, und schließlich fiel er hin und lag schluchzend in einer Lache seines eigenen Blutes, ohne seine Schmerzen wahrzunehmen.
    Ich hätte dich niemals fortschicken dürfen, dachte er trübselig . Hätte dich nie lebendig machen dürfen!
    Mit weichen Knien erhob er sich und starrte zur nächsten Terrasse hoch in der verzweifelten Hoffnung, dass er einen kleinen gelben Elefanten am Rand auftauchen und auf sich zustapfen sehen würde.
    Elefant tauchte nicht auf. Aber Arthur hörte ein summendes Geräusch, ähnlich dem, das Sonntags Libellen machten.
    Er blickte hektisch um sich, doch es war nichts von einer Libelle zu sehen.
    Das Summen wurde immer lauter, als ob das, was es verursachte, direkt auf ihn zukäme. Aufgeregt und mit klirrenden Ketten lief Arthur am Rand des Zifferblatts hin und her und versuchte herauszufinden, was hier vor sich ging.
    Dann sah er es. Das silberne Netz, in dem Sonntag seine Schlüssel gefangen hatte, kam auf ihn zugesaust, keinen halben Meter über dem Gras. Wie ein wahnsinnig gewordenes Luftkissenfahrzeug zischte es den Hang hinunter, sprang über die Zahl Zwölf auf der Uhr hinweg, krachte in Arthur und warf ihn zu Boden.
    Arthur packte es, aber es zappelte in seinem Griff hin und her, bis es seinen Inhalt ausspie – einen Spiegel und einen Federkiel, die in seine Hände sprangen.
    Als Arthur den Fünften und Sechsten Schlüssel berührte, fühlte er, wie die Macht in ihn zurückströmte und all seine Selbstzweifel und Ängste fortgespült wurden. Er stand auf,

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