Goldfalke (German Edition)
„… was womöglich ein gewaltiger Fehler war. Und die zweite Schrift hat mich nicht mal zu einem der neun Teile der Persönlichkeit meiner Mutter geführt.“
Fatima lehnte sich zu Kiana hin und schaute ihr eindringlich in die Augen. „Töchterchen, es sind nicht die neun Teile der Persönlichkeit deiner Mutter, die du hast finden sollen.“
„Nicht? Aber …?“ All die Abers, die so gleich in Kiana aufstießen, waren so zahlreich, dass sie sich gegenseitig behinderten und ihr im Hals stecken blieben.
„ All das, Töchterchen, was du auf deiner Suche in der Wüste, in der Karawanserei, in der Versunkenen Stadt durchstehen musstest, hat jede Seite deiner vernachlässigten Persönlichkeit überhaupt erst geweckt, entwickelt und in die Lage versetzt, gegen Damon anzutreten und deine Mutter befreien zu können.“
Fatima machte eine nachdenkliche Pause, und dann: „Es waren die neun Teile deiner eig enen Persönlichkeit, die du suchen und finden solltest.“ Ächzend erhob sie sich. „Sahmaran hat das erkannt. Denk darüber nach!“ Damit ging die alte Frau durch die offen stehende Terrassentür nach draußen.
Kiana starrte hinter ihr her, ohne etwas zu s ehen. Sie fühlte sich, als hätte Fatima ihr eine der Servierplatten, die Avas Dschinns hin und her trugen, über den Schädel gezogen.
„Ah, hier bist du!“ Nesrin sank neben ihr auf die Fensterbank. „Was ziehst du für ein Gesicht? Nimm dir Hatims Gequatsche nicht so zu Herzen! Wer hätte gedacht, dass die Steintypen so austicken, sobald ihr Fluch gebrochen ist?“
„Sie sind einfach nur verwirrt.“ Kiana trank ihr e Ziegenmilch aus. Gerne hätte sie ihrer Freundin von dem Gespräch mit Fatima erzählt, und während sie noch überlegte, wo sie anfangen sollte, übernahm Nesrin wie üblich das Reden: „Apropos verwirrt: Haschem und Dschamal streiten sich da drin noch immer mit den anderen darüber, ob Damon wirklich eine Bedrohung für den Palast ist. Und Maimune meint eigentlich auch, dass sich der Palast gut gegen alle Gefahren verteidigen kann, selbst gegen Damon. Immerhin spielen wir hier in der Oberliga mit Sayed, Kassim, Fatima und jetzt sogar wieder Soraya und ihren mächtigen Dschinns.“
Einmal mehr wurde Kiana klar, wie wenig sie über die Menschen hier wusste. „Was für Dschinns haben eigentlich die Seherin und die Herrscherin?“
Nesrin nahm sich eine von Kianas Datteln. „Fatimas Dschinn ist der Himmelsstier. Ich hab ihn noch nie gesehen, aber er soll es voll drauf haben, hab ich gehört. Klingt auch cool, oder? Himmelsstier - so ein Dschinn kann nur was Hammermäßiges sein. Über den Dschinn der Herrscherin weiß ich nichts, aber der ist bestimmt auch kein Loser.“
„Aber gegen Damon brauchen wir mehr als eine Han dvoll starke Dschinns. Farid ist davon überzeugt, dass sein Vater den Krieg auf jeden Fall gewinnen wird und findet, der Palast sollte sich gleich kampflos ergeben, um Blutvergießen zu vermeiden.“
„Du lässt dich doch von Farid nicht beeinflussen, oder? Der Typ will doch nur … keine Ahnung, was der will. Was hatte der eigentlich gestern an mir rumzugrapschen? Oder hab ich das geträumt, dass er es war, der mich mit dir zusammen in mein Bett geschleppt hat?“
„ Er hat mich vor deinem Zimmer abgepasst, um mir Vorwürfe zu machen, weil ich nicht gleich aus der Ehernen Festung geflohen war, als er es mir dort befohlen hatte. Deswegen haben wir gestritten. Dann hat er mir geholfen, dich zu meiner Mutter zu bringen.“
„Moment mal!“ Mit gespreizten Fingern fuhren Nesrins Hände auf und ab. „Ihr habt gestritten - und ich weiß, wie sauer der werden kann, wenn man ihm widerspricht - und trotzdem hat er dir geholfen? Das ist so überhaupt nicht seine Art. Und dass er dich aus Damons Blechhütte entkommen lassen wollte, dass er dich nicht an seinen Daddy verpfiffen hat - ich denke, der will was von dir.“
„Und was?“
„Du weißt, was ich meine!“
„Du glaubst doch nicht, dass …“ Kiana beend ete ihren Satz nicht.
„Klar, er steht auf dich. Ich weiß, das ist echt grus elig. Der Typ ist zwar ziemlich scharf, schon klar, aber auch ein bisschen psycho. Und offenbar will er den Palast seinem Daddy ans Messer liefern. Darum glaub bloß nicht sein Gequatsche von kampflos ergeben und so ’nem Scheiß! Bisher haben wir Damons Krabbelviecher doch ganz gut aufgemischt, oder? Kampflos ergeben kommt gar nicht in die Tüte!“
Das Bild, wie der Schreckliche Sultan zu seinem Heer sprach, bohrte sich
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