Goldfalke (German Edition)
während Kiana über diese weisen Worte nachdachte , gab Sayed einen fast schon gefühllos sachlichen Bericht über den Kampf der vergangenen Nacht ab. Schweigend hörten die Riesenvögel zu, bis der Großwesir geendet hatte und sich bei einem von Avas Dschinns einen Tee bestellte.
„ Wer ist nun diese junge Heldin“, fragte Nesrins Ziehvater, „die uns euer Ausschreier bereits als die Hoffnung aller angekündigt hatte. Deren Wirken offenbar den Ausschlag für den Sieg gegen Damon gab und deren entfesselte Kräfte zuvor den Bunten Basar zu zerstören vermochten.“
„Deren Flugkunst jedoch nicht einmal ausreicht, um einem Apfelbaum auszuweichen“, fügte der Simurgh rechts hinter ihm hinzu, ein dattelbrauner Vogel mit einem buschigen Federschopf am Nacken. „Das jedenfalls behauptete der weiße Geier ebenfalls.“
„ Hier ist sie!“, rief Nesrin fröhlich und hüpfte zu Kiana. „Das ist meine beste Freundin.“
„Wir alle sind Kiana, Nesrin und auch Amir zu größtem Dank verpflichtet“, meinte die Herrscherin.
„Wer ist Amir?“, erkundigte sich … Oma .
Der Großwesir schaute durch die Reihen der Anwesenden. „Wo bist du, Amir? Tritt vor uns, mein Sohn!“
Z ögerlich schälte sich Amir aus einer Gruppe von Palastkriegern heraus, trat vor den Großwesir, neigte den Kopf und schielte argwöhnisch zu den Simurgh hinüber.
Soraya lächelte Amir und den Mädchen zu. „Durch eure selbstlosen und mutigen Taten habt ihr drei euch zeitlebens einen Platz im Schimmernden Palast verdient.“
Was sich Kiana nie zu hoffen getraut hatte, erfüllte sich nun durch diesen einen Satz. Ein warmer Strom der Dankbarkeit floss durch sie hindurch wie geschmolzene Schokolade und legte eine süße Schicht herrlichster Gefühle über die Narben ihrer Kindheit.
„Das ist sehr freundlich, verehrte Frau, ich meine: edle Königin“, stammelte Amir verlegen. „Aber ich kann meinen Vater nicht allein lassen. Er hat nur noch mich.“
„Dein Verantwortungsgefühl ehrt dich“, entge gnete die Herrscherin, „und zeigt einmal mehr, wie klug Kianas Wahl gewesen ist, als sie dich zu uns holte. Selbstverständlich ist dein Vater bei uns ebenfalls willkommen, sofern er sich zu uns begeben will. Man glaubt es nicht, aber manch einer jenseits der Tore scheut vor dem Zauber unserer Klaren Welt zurück.“
„ Kianas Tante Shabnam beispielsweise würde sich lieber die Hand abhacken, als sie durch eines von Fatimas Toren zu stecken“, warf Haschem, der Brunnenmeister, in das Gespräch ein.
Wie immer, wenn Amir peinlich berührt war, scharrte er kaum merkbar seinen rechten Fuß hin und her. „Aber mein Vater ist zu alt, um euch als Palastkrieger dienen zu können. Und auch ansonsten … er ist nur ein Tagelöhner.“
Amirs Unbehagen wehte einen Schwall Trübe-Welt-Luft in Kianas Gedanken hinein. Schon immer hatte sie geahnt, dass Amir insgeheim, vielleicht sogar unbewusst, seinen Vater dafür verachtete, dass dieser sich und seinen Sohn lieber mit niedrigen Arbeiten über Wasser hielt, anstatt sich den heiligen Kriegern anzuschließen, um wenigstens dadurch zu Ehre und Anerkennung zu kommen. Gerade jetzt konnte sie spüren, wie sehr die Vornehmheit des Palastes Amirs Scham über seine Herkunft noch weiter aufblies.
Missmutig beugte sich Fatima vor und nahm Amir ins V isier. „Dein Vater, Söhnchen, hat sein Leben lang hart geschuftet und alle möglichen dreckigen, schweren und gefährlichen Arbeiten angenommen, um dich undankbares Balg durchzubringen. Er verdient höchsten Respekt!“
„Das klingt mir nach einem vielseitigen Mann“, sagte Soraya. „Wie gesagt: Er ist uns willkommen.“
Jetzt erst erlaubte sich Amir, das für wahr zu halten, was sich zu gut anhörte für einen Jungen aus dem Lehmhüttenviertel. „Danke, Herrscherin!“
„Wir haben zu danken, mein Sohn“, warf der Großw esir ein. „Ich muss gestehen, dass einige von uns, wovon ich mich leider nicht ganz ausnehmen kann, hin und wieder am Erfolg von euch drei jungen Leuten gezweifelt haben. Das ist umso verwerflicher, als du, liebe Schwester Fatima, genau jenen Erfolg vorausgesagt hast. Wir alle hätten dir uneingeschränkt glauben sollen.“
Mit einer nachlässigen Wischb ewegung ihrer rechten Hand winkte Fatima ab. „Gräm dich nicht, mein alter Freund, wer hätte schon geglaubt, dass drei naseweise Rotzgören den Löwen-Sultan in die Schranken weisen könnten! Ich am allerwenigsten.“
„ Nach den Schilderungen eures Ausschreiers hast du doch
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